Tanz mit mir - Roman
Gewissen, weil sie als Überraschung zu meinem und Hannahs Geburtstag einen Kurzurlaub organisiert hat«, erklärte Ross, woraufhin sie sich fassungslos zu ihm umdrehte. »Aber nun hat sie keine Zeit, um mitzukommen – was übrigens keine Überraschung, sondern absolut vorhersehbar war. Ich persönlich bin es leid, dass sie glaubt, sie könne sich aus dem Leben ihrer Kinder freikaufen, obwohl es deren einziger Wunsch ist, mehr Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen.«
»Halt die Kinder da raus!«, protestierte Katie und zuckte innerlich zusammen, als Ross mit seiner Bemerkung ihren wundesten Punkt getroffen hatte. »Das ist total gemein! Ich liebe unsere Kinder! Nur ihretwegen bin ich noch mit dir verheiratet!«
Eine grausame Stille folgte.
Es dauerte einen Augenblick, bis Katie begriff, was sie gesagt hatte.
»Aha«, sagte Ross schließlich. »So ist das also.«
»Haben Sie das ernst gemeint, Katie?«, fragte Peter ruhig. »Das ist eine sehr gravierende Aussage.«
Die Stille dehnte sich wie ein Swimmingpool vor ihr aus, flach, blau und bewegungslos.
Es ist ganz einfach, ich muss nur die Worte sagen, dachte Katie, während ihr das Blut in den Ohren rauschte. All die Worte, die ich in den letzten Jahren hinuntergeschluckt habe, um alles zusammenzuhalten. So kann ich die nächsten vierzig Jahre lang nicht weitermachen. Das kann ich auch Ross nicht antun.
»Ja«, kam es ihr über die Lippen, bevor ihr wirklich bewusst wurde, was sie da sagte. Diese beunruhigende Erlaubnis, offen ihre Meinung sagen zu sollen, fühlte sich an, als sei sie betrunken. »Allein der Gedanke, wie sehr ich die Kinder damit verletzen würde, hält mich noch davon ab, zu gehen.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Ross. »Empfindest du denn …« Ihm versagte die Stimme. »Empfindest du denn gar nichts mehr für mich?«
Katie schüttelte den Kopf – ganz langsam, von einer Seite auf die andere, und die Worte kamen wie von selbst. »Ich liebe dich … wie einen Bruder vielleicht? Oder wie einen Sohn. Mich interessiert, was mit dir ist. Ich will nicht, dass du unglücklich bist. Aber ich liebe dich nicht mehr … wie ich dich früher geliebt habe. Diese Liebe ist mit dem vielen Streit und Stress erloschen. Wir sind keine Liebenden mehr,
sondern einfach nur noch Eltern, und du willst nicht einmal mehr zulassen, dass ich ein richtiges Elternteil bin. Du willst diese Aufgabe allein für dich. Früher habe ich dich geliebt, und nun kann ich es nicht mehr aushalten, dass es nicht mehr so ist. Ich glaube nämlich, dass es nicht genug ist, dass es nicht reicht.« Sie konnte es nicht ertragen, ihm in die Augen zu sehen.
»Und das war’s?«, fragte Ross bitter. »Das soll es also gewesen sein?«
»Katie, für dieses Stadium der Therapie ist eine große Empfindsamkeit und Emotionalität nicht ungewöhnlich«, erklärte Peter. »Sie müssen derzeit einigen Tatsachen ins Auge sehen, die Sie beide bisher ignoriert haben – was aber nicht gleich bedeutet, dass Ihre Ehe am Ende ist. Haben Sie denn nicht das Gefühl, dass Sie etwas übereinander gelernt haben, als Sie eben ehrlich zueinander waren? Katie, schauen Sie Ross einmal an.«
Sie brachte es nicht über das Herz.
»Schauen Sie Ross an«, bat Peter mit Nachdruck. »Sie haben gerade etwas gesagt, was sehr hart für ihn war. Sie können seine Reaktion nicht einfach ignorieren.«
»Das ist übrigens etwas, was mir am Tanzen so gefallen hat«, sagte Ross leise. »Du musst mir in die Augen sehen, wenn ich dich halte.« Seine Stimme zitterte. »Doch selbst dann noch schaust du einfach über meine Schulter hinweg. Als würdest du lieber mit jemand anderem tanzen.«
Katie wurde mit einem Schlag bewusst, dass sie keine Kraft mehr hatte. Sie und Ross – tanzen gehen? Wie hatten sie ernsthaft glauben können, dass ein Tanzkurs ihre Ehe retten könnte? Es war peinlich, dass sie sich überhaupt dieser Hoffnung hingegeben hatte. Diese lächerlichen Kleider – was sollte der ganze Unsinn? Dieses Herumstolzieren mit fremden Leuten? Diese künstliche Romantik?
Sie zwang sich dazu, Ross anzusehen, und sofort fiel ihr
auf, wie verzweifelt er war. Tränen standen ihm in den Augen und verklebten seine Wimpern, als er versuchte, die Tränen mit aller Macht zurückzuhalten. Er hob den Arm und versuchte, die Tränen wie ein Teenager mit dem Ärmel wegzuwischen.
»Ross?«, fragte Peter sanft.
Jetzt fühl doch etwas!, schrie es in Katie. Empfinde etwas für diesen armen, wohlmeinenden Mann, der hier neben dir
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