Tanz, Pueppchen, Tanz
Obendrein noch durch verrückte Umstände dazu gezwungen, Zeit mit dem Mann zu verbringen, den sie einmal geliebt hat, weshalb sie an lange unterdrückte Einzelheiten ihrer gemeinsamen Vergangenheit erinnert wird. Da ist es schwer, keine vertrauten Regungen zu empfinden. Wahrscheinlich geht es ihm ähnlich, deshalb ist er gestern Nacht herbeigeeilt, obwohl er in seiner Besorgnis auch ebenso gut zum Telefonhörer hätte greifen können. Amanda schließt die Augen und versucht dahinter nicht Bens entsetzten und verzweifelten Gesichtsausdruck in dem Moment zu sehen, als er das Licht angemacht und Jerrod Sugar in ihrem Bett entdeckt hat.
Der Richter unterbricht die Sitzung für eine Mittagspause von einer Stunde. Als Amanda auf die Uhr sieht, stellt sie überrascht fest, dass es schon fast halb eins ist. Sie steht auf, als der Richter dramatisch aus dem Gerichtssaal fegt, und beobachtet, wie Ben auf die Staatsanwältin zugeht.
»Nun, kommen Sie, Nancy«, hört Amanda ihn in seinem einschmeichelndsten Tonfall auf sein Gegenüber einreden.
»Warum sind Sie so stur? Sie ist ein gutes Mädchen, das sich mit dem falschen Kerl eingelassen hat. Es ist ein Erstvergehen. Lassen Sie sie ein paar Sozialstunden ableisten.«
»Sie vergeuden Ihren Atem, Herr Anwalt«, gibt die Staatsanwältin mit zusammengekniffenem Mund zurück.
»Sozialstunden, da hätten alle was davon.«
Die Anklägerin zieht nur eine buschige Augenbraue hoch, rafft ihre Papiere zusammen und marschiert aus dem Saal.
»Na, die ist ja charmant«, stellt Amanda fest, während sie dem Klappern der schweren Absätze der Frau nachlauscht, das auf dem Flur widerhallt.
»Was machst du denn hier?«, fragt Ben, ohne sie anzusehen.
»Deine Sekretärin hat gesagt, dass ich dich hier finden könnte.«
»Mr. Myers?« Die Frau mit dem Rosenkranz tritt neben sie. »Kann ich Selena zum Essen mitnehmen?«
»Mom, pack die Perlen weg, Himmel noch mal.«
»Sorgen Sie dafür, dass sie in einer Stunde wieder hier ist«, erklärt Ben der Frau, die einen Arm um ihre Tochter legt und sie hinausführt.
»Das muss so schwer sein«, sagt Amanda und sieht ihnen nach.
Ben sagt nichts.
»Was ist mit dir?«, tastet Amanda sich vor. »Kann ich dich zum Essen einladen?«
»Ich hab keinen großen Hunger. Trotzdem vielen Dank.«
»Ben …«
Zum ersten Mal, seit er sie hat hereinkommen sehen, blickt er sie direkt an. »Also, wenn es um gestern Nacht geht, musst du dich nicht entschuldigen. Was du mit deinem Leben machst, ist deine Sache.«
»Da bin ich absolut deiner Meinung. Ich bin auch nicht gekommen, um mich zu entschuldigen.«
Er wirkt überrascht, vielleicht sogar ein wenig enttäuscht.
»Warum bist du dann hier?«
»Kannst du für mich herausfinden, ob John Mallins’ Geburtstag der 14. Juli ist?«
»Warum willst du das wissen?«
»Nur so eine Ahnung.«
»Das ist selbst für dich eine reichlich seltsame Ahnung.«
»Ich hab gestern Abend bloß mit dieser Frau geredet, und sie hat gesagt …«
»Welche Frau gestern Abend?« Er kneift die Augen zusammen, und sein Blick scheint zu fragen: War gestern Abend auch noch eine Frau in deinem Bett?
Amanda berichtet ihm rasch die Einzelheiten ihrer Begegnung mit Rachel Mallins, während sie beobachtet, wie sein Gesichtsausdruck zwischen Neugier und Unglauben, Bewunderung und Zorn hin und her schwankt.
»Bitte sag mir, dass das ein schlechter Witz von dir ist«, meint er, als sie fertig ist.
»Ich weiß, dass ich nicht alleine hätte losgehen sollen. Das brauchst du mir gar nicht zu sagen. Aber ich glaube wirklich nicht, dass sie mich voll gesponnen hat. Ich bin heute Morgen als Erstes in die Bibliothek gegangen«, fährt sie fort, bevor er sie unterbrechen kann. »Ich bin mehr als eine Stunde lang alle Todesfälle des vergangenen Monats in Toronto durchgegangen, und auf der Liste stand niemand namens Mallins.«
»Wieso auch?«
»Weil Hayley Mallins mir erzählt hat, dass ihr Mann hier war, um den Nachlass seiner Mutter zu regeln.«
» Hayley Mallins? Wann hast du mit Hayley Mallins gesprochen?«
»Ich habe sie gestern Abend besucht, nachdem du mich vor dem Hotel abgesetzt hast.«
Ben schüttelt den Kopf, während er versucht, das Sperrfeuer neuer Informationen zu verarbeiten. »Du warst ja gestern Abend schwer beschäftigt.«
»Das war alles nicht geplant. Glaub mir. Es hat sich einfach so entwickelt.«
»Was hat sich wie entwickelt?«
Amanda erzählt ihm von ihrem Besuch bei Hayley Mallins.
»Ich kann nicht fassen,
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