Tanz, Pueppchen, Tanz
dass sie mit dir geredet hat.«
»Ich glaube, ich hab sie überrumpelt.«
»Ja, das kannst du gut.« Ein paar Sekunden lang sehen sie sich schweigend an. »Also gut«, sagt er schließlich. »Du kannst mich zum Mittagessen einladen.«
In dem Café eines nahe gelegenen Hotels sitzen sie sich an einem kleinen Tisch gegenüber und schlürfen heiße Broccolicremesuppe. »Diese Staatsanwältin scheint mir aber eine echte Hexe auf Rädern zu sein«, sagt Amanda und lacht laut, weil sich eine entfernte Erinnerung in den Vordergrund drängt wie ein Fußgänger, der zwischen zwei geparkten Wagen auf die Straße springt.
»Was ist so komisch?«
Amanda schüttelt den Kopf, als wollte sie die Erinnerung abwerfen, doch sie stemmt sich trotzig dagegen und weigert sich zu verschwinden. »Als ich ein kleines Mädchen war«, beginnt sie zögernd, »hat meine Mutter eine Nachbarin mal als eine echte ›Hexe auf Rädern‹ bezeichnet. Von da an hatte ich schreckliche Angst vor der Frau. Ich habe riesige Umwege in Kauf genommen, um nicht an ihrem Haus vorbeizumüssen, selbst wenn ich um den ganzen Block laufen musste. Ich meine, sie war nicht nur eine Hexe, sondern auch noch auf Rädern. «Amanda lacht über ihre eigene kindliche Naivität.
Ben grinst. »Nancy ist eigentlich gar nicht so übel.«
»Nicht?«
»Sie macht bloß ihren Job. Du kennst doch Staatsanwälte.«
Nicht so gut wie du, denkt Amanda und versucht, sich seine Freundin Jennifer vorzustellen.
»Sie lieben nichts mehr als eine weitere Verurteilung in ihrer Prozessbilanz«, fährt er fort.
»Eher selbstgerecht als gerecht«, sinniert Amanda. »Ist deine Mandantin schuldig?«
»Schuldig der Jugend und der Dummheit. Es wäre zum Nutzen aller, wenn man sie fünfzig Sozialstunden ableisten ließe, anstatt sie mit einer Vorstrafe zu belasten.«
»Das kommt aber offenbar nicht in Frage.«
»Nur weil die obwaltenden Mächte noch dümmer sind als sie.«
»Glaubst du, du hast eine Chance?«
Ben beißt lachend in ein warmes Brötchen. »Es wird ein sauberer Elfmeter. Ich krieg sie wegen eines Verfahrensfehlers dran. Sobald ich mein Plädoyer eröffne, verlässt sie den Saal als freie Bürgerin.«
»Ah, die Gerechtigkeit.«
»Das kommt davon, wenn die Leute zu gierig werden.«
Wird Jennifer gierig, fragt Amanda sich. »Du siehst in deiner Robe übrigens ziemlich gut aus«, sagt sie.
»Du gestern auch.« Sein Lächeln, der sanfte Schwung seiner Lippen, vertreibt den letzten Rest von Spannung zwischen ihnen. »Tut mir Leid, dass ich gestern Nacht so bei dir reingeplatzt bin. Sah wohl so aus, als wollte ich irgendwelche Besitzansprüche geltend machen.«
»Nur ein bisschen. Außerdem sollte ich mich wahrscheinlich bei dir entschuldigen.«
»Ich dachte, du wärst nicht gekommen, um dich zu entschuldigen.«
»Bin ich auch nicht«, sagt Amanda. »Ich sagte nur, wahrscheinlich sollte ich es tun.«
Er lacht. »Du hast mich vermutlich bloß auf dem falschen Fuß erwischt. Ich wusste nicht, dass du noch Bekannte in der Stadt hast.«
»Hab ich auch nicht.«
»Er ist also noch jemand, den du gestern Abend getroffen hast?«
»Genau genommen hab ich ihn im Flugzeug getroffen.«
Ben schluckt dieses neueste Häppchen an Information zusammen mit dem Rest seines Brötchens. »Ein bisschen alt für dich, findest du nicht?«
»Ich mag ältere Männer.«
»Das war mir nicht bewusst.«
»Mein zweiter Ehemann war ein älterer Mann.«
»Und wie war er?«
Nun ist es an Amanda zu lachen. »Ich weiß nicht. Ich habe ihn eigentlich nie besonders gut kennen gelernt.«
»Wieso nicht?«
Amanda verdreht die Augen. Darauf hat sie sich eigentlich nicht einlassen wollen. »Ich glaube, dass ich es im Grunde nicht wollte. Ich meine, er war – ist – ein sehr attraktiver Mann. Wohlhabend. Kultiviert. Sogar nett. Das hat mir damals vermutlich gereicht.«
»Und wann war es dann nicht mehr genug?«
»Als er anfing, über Babys zu reden.«
»Du magst keine Babys?«
»Zum Teufel noch mal, nein. Ich wollte sein Baby sein. Warum heiratet eine Frau sonst einen fünfundzwanzig Jahre älteren Mann?« Sie macht eine Pause, sieht sich in dem überfüllten Café um und fragt sich, ob noch eine der anderen Frauen dabei ist, mit ihrem ersten oder zweiten Ex-Mann zu reden. »Am Anfang war alles prima. Er hat mein Jurastudium finanziert und mir alles gekauft, was mein kleines Herz begehrte, ist mit mir gereist, wohin ich wollte. Hat mich nie schlecht behandelt oder unter Druck gesetzt. Hat mich
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