Tanz, Pueppchen, Tanz
eines Formfehlers eingestellt, und Amanda registriert mit unangemessener Schadenfreude das entsetzte Schmollen der Staatsanwältin, das deren Gesicht noch unattraktiver wirken lässt, als es ohnehin ist. »Saubere Arbeit, Ben Myers«, beglückwünscht Amanda ihn, nachdem sowohl Serena als auch ihre Mutter ihn dankbar umarmt haben, und unterdrückt den Impuls, es ihnen nachzutun.
»Kinderspiel.«
Amanda lächelt und findet seine Arroganz beunruhigenderweise noch attraktiver als vor einem Jahrzehnt. »Und jetzt?«
»Hoffentlich schafft sie es, ähnlichen Ärger in Zukunft zu meiden.«
»Ich meinte, mit uns.« Sie lacht nervös und räuspert sich verlegen. »Ich meine, was sind unsere Pläne für den Rest des Nachmittags.«
»Nun, ich weiß nicht, was du für Pläne hast, aber ich muss zurück in die Kanzlei.« Ben stopft einen Packen Papiere in seinen Aktenkoffer und marschiert so forsch in Richtung Rolltreppe los, dass Amanda nur mit Mühe mithalten kann.
»Was ist mit meiner Mutter?«
»Was ist mit ihr?«
»Ich dachte, wir wollten sie besuchen.«
»Heute kann ich nicht.«
»Aber haben wir nicht morgen den Termin vor Gericht?«
»Morgen früh bleibt noch reichlich Zeit, mit ihr zu sprechen.« Schweigend fahren sie die Rolltreppe hinunter. Amanda will ihn gerade fragen, warum er es plötzlich so eilig hat, in seine Kanzlei zurückzukommen, als Ben auf einen Flur zu ihrer Linken weist. »Raum 102. Versuch, um Viertel vor neun hier zu sein, wenn es geht.«
»Warte!«
Amanda hastet ihm nach, während er schon das Ende der Rolltreppe erreicht hat und den Ausgang ansteuert. Als er die Tür aufstößt, schlägt ihr eisige Luft entgegen, sodass sie halb vor Schreck und halb vor Schmerz aufschreit.
Ben bleibt stehen. »Alles in Ordnung?«
»Meinst du, du könntest irgendwas wegen des Wetters unternehmen?«
»Was ist los – minus zehn Grad gefällt dir nicht?«
»Was glaubst du, warum ich nach Florida gezogen bin?«
»Das kann ich nicht beantworten«, sagt er schlicht. »Du vielleicht?«
Amanda ignoriert die Frage und ihre Andeutungen. »Ich dachte, dass ich wohl besser noch ein paar Tage hier bleibe.«
»Ich denke, das ist wahrscheinlich eine gute Idee«, pflichtet er ihr knapp bei. Sein Anwaltston, denkt sie, den er für seine Mandanten anschlägt.
»Hör mal, wie wär’s mit Essen heute Abend?« fragt sie in der Hoffnung, dass ihre Einladung möglichst beiläufig und spontan klingt, und ist dankbar, dass ihre Zähne vor Kälte so laut klappern, dass sie das Zittern in ihrer Stimme überdecken.
»Heute Abend geht nicht.« Ohne weitere Erklärungen beginnt er, die University Avenue hinunterzumarschieren.
»Ben, wir müssen wirklich über meine Mutter reden«, sagt Amanda, als ob ihre Mutter der Grund für die Essenseinladung gewesen wäre.
»Was gibt es da zu reden?«
An der Ecke University Avenue und Queen Street packt Amanda Bens Arm und zwingt ihn, stehen zu bleiben. »Du wirst sie doch morgen nicht wirklich auf schuldig plädieren lassen, oder?«
»Natürlich nicht.«
»Und wie willst du sie daran hindern?«
»Es ist eine Kautionsanhörung, Amanda. Vor Freitag bekommt sie gar keine Gelegenheit, irgendwas zu erklären.«
Amanda empfindet so etwas wie Erleichterung und fragt sich, warum. »Okay. Nun, das verschafft uns zumindest ein bisschen mehr Zeit.«
»Wenn du vorhast, noch eine Weile zu bleiben, solltest du vielleicht eine weitere Anschaffung in Erwägung ziehen«, sagt er.
»Und die wäre?«
»Ein neuer Mantel.« Er lächelt, hastet über die Straße, bevor die Ampel auf Rot springt, und winkt ihr mit erhobener Hand, ohne sich noch einmal umzusehen.
Die nächsten paar Stunden bummelt Amanda durch die Läden im Eaton Center, einem riesigen, überdachten, dreistöckigen Einkaufszentrum plus Büroturm im Herzen der Innenstadt von Toronto. Sie kann sich noch daran erinnern, als Eaton’s die Nummer eins unter den Einkaufszentren des Landes war, aber das hat sich in ihrer Abwesenheit verändert. Das früher einmal exklusive Shopping-Center ist zwischenzeitlich in Konkurs gegangen und dann von dem größten Konkurrenten übernommen worden. Nichts kann man eine Minute lang allein lassen, denkt sie und entdeckt im Fenster eines kleinen Ladens im Erdgeschoss einen schwarzen Parka.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt eine junge Frau, bevor Amanda sich auch nur umsehen kann. Ihrem Namenschild zufolge heißt sie Monica, hat krause blonde Locken und trägt ein bauchnabelfreies Top und
Weitere Kostenlose Bücher