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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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Als sie nach dem Puls tastete, fand sie ihn erst nicht. Er war kaum zu spüren.
    »Samuel?«
    Er schien das Bewusstsein zu verlieren. Sie zog ihn an sich, wiegte ihn. »Mein Kind, mein Junge! Du musst durchhalten, hörst du? Wenn uns ein Schiff aufgenommen hat, bekommst du einen Tee, und ich stecke dich in ein warmes Bad. Schlaf nicht ein, Samuel, bitte, schlaf nicht ein!«
    Immer verzweifelter wiegte sie ihn, sie schüttelte ihn sogar. Er war nicht zu wecken. Cäcilie stand auf. Sie zerrte Samuel in die Höhe, versuchte, ihn auf die Füße zu stellen. »Wach auf, Junge. Wach auf!« Aber sein Körper sackte in sich zusammen.
    »Er ist tot«, sagte Lyman. Er legte ihr die Hand auf den Arm. »Cäcilie, lass ihn.«
    Sie setzte sich wieder und bettete Samuels Kopf auf ihren Arm. Sie wickelte ihn fest in den Mantel. »Ihm ist nur ein wenig kalt«, sagte sie. Zärtlich strich sie ihm über das Gesicht.
    »Da ist ein Licht«, rief die Frau im Pelzmantel und zeigte aufgeregt in die Dunkelheit. »Hinten, am Horizont! Das muss ein Schiff sein. Sie kommen, uns zu retten.«
    Cäcilie wendete den Kopf. Sie sah nichts als Finsternis.
    »Halten Sie den Mund«, sagte Lyman. »Ich will nichts von Ihren Hirngespinsten wissen.« Seine Benommenheit hatte er abgeschüttelt. »Das ist schon das fünfte Licht, das Sie angeblich sehen.«
    »Diesmal bin ich mir sicher«, verteidigte sich die Frau.
    Um sie herum trieben Stücke der Titanic, Stühle vom Promenadendeck, Teppichfetzen, Papier. Sie hörte nicht auf, Samuels Gesicht zu streicheln. Ganz sicher lebte er. Im Warmen würde er wieder aufwachen, er würde sich die Augen reiben und ihr erzählen, was er geträumt hatte.
    Die Frau sagte: »Wir sind Hunderte Meilen vom Land entfernt. Und wir haben weder Seekarten noch einen Kompass. Wir wissen nicht mal, in welche Richtung wir rudern müssen, um irgendwo anzukommen. Ein Schiff ist unsere einzige Rettung!«
    »Meinen Sie, das wissen wir nicht? Noch ein Wort«, knurrte Lyman, »und ich werfe Sie über Bord.«
    »Sehen Sie, da!«, rief die Frau.
    Cäcilie sah tatsächlich ein schwaches Aufleuchten am Horizont. Dann verlosch das Licht wieder. Es folgte ein entfernter, leiser Donner.
    »Nur ein Gewitter«, sagte einer der Seeleute.
    Sie fuhren schweigend für einige Minuten, ruderten weiter ins Ungewisse. Einmal schabte ihr Boot an einem Eisberg entlang. Man hörte, wie die Wogen gegen ihn klatschten. Cäcilie spürte seine Kälte. Vorsichtig stießen sie sich mit den Rudern ab.
    Dann aber wiederholte sich das Schauspiel am Horizont, und Lyman sagte: »Das müssen Raketen sein! Schnell, ehe die abdrehen mit ihrem Schiff, hat jemand Papier?«
    Eine alte Dame opferte ihre Briefe, die sie von Bord gerettet hat te. Lyman zündete sie wie eine Fackel an. Er stand auf und schwenkte die brennenden Blätter in der Luft. Kurz vor dem Verlöschen warf er sie ins Wasser. »Wir brauchen noch etwas zum Verbrennen«, sagte er. »Ihren Strohhut.« Er zeigte auf eine Dicke, die im Heck saß.
    »Kommt nicht infrage!« Sie hielt den Hut mit beiden Händen fest. »Suchen Sie sich etwas anderes.«
    »Ist er trocken, der Hut?«
    »Das geht Sie nichts an. Ich brauche ihn, um mich zu wärmen.«
    Die Passagiere neben der Frau fassten nach dem Hut, und bevor sie sich wegducken konnte, meldeten sie schon: »Ja, er ist trocken.«
    »Geben Sie ihn her«, sagte Lyman.
    »Sind Sie nicht bei Trost?«
    »Geben Sie mir den verdammten Hut!«
    Als die anderen nach ihrem Strohhut griffen, schrie die Frau auf. Sie schlug böse um sich, biss und kratzte. Am Ende gelang es ihnen, der Frau den Hut zu entreißen. Er wurde rasch an Lyman weitergereicht.
    Während er noch zündelte, sah Cäcilie schon das Dampfschiff am Horizont. Erst war es nur ein warmes Licht. Dann erkannte sie seinen Rumpf im Schein der Kabinenfenster. Nie war ihr ein Gefährt freundlicher erschienen.
    Über ihnen loderte der Strohhut auf, Lyman schwenkte ihn hin und her. Das Feuer beschien die Gesichter.
    Cäcilie hielt ihr regloses, kaltes Kind im Arm. Sie sagte: »Schau, Samuel, da kommt ein Schiff. Wir sind gleich im Warmen.« War um rede ich mit ihm, dachte sie, er ist tot! Aber der Gedanke erreichte nicht ihr Herz. Was es bedeutete, dass Samuel erfro ren war, konnte sie nicht begreifen. Ein Schleier umhüllte ihren Verstand.
    Das gütige Licht des Dampfers erschien Matheus wie ein Hohn. So nah war die Rettung, und doch waren sie verloren. Das Faltboot ging unter. Inzwischen wehte ein frischer Wind, der die

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