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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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Neles hohe Frauenstimme.
    Das Segel kam näher. Bald erkannte Matheus ein Rettungsboot der Titanic, gefüllt mit Menschen. In seiner Mitte war ein Segel aufgerichtet, und an der Ruderpinne stand, wie ein Held der griechischen Sagen, ein Offizier in Uniform. Der Steward murmel te entzückt seinen Namen: »Officer Lowe. Officer Lowe kommt, uns zu retten.«
    Lowe lenkte sein Boot neben das fast vollständig versenkte Falt boot. Helfende Hände griffen hinüber. Nele konnte sich mit einem Sprung an Bord des anderen Bootes retten. Durch den Stoß ging das Faltboot endgültig unter. Matheus fiel ins Wasser, auch die anderen Männer. Sie wurden aus dem Meer über die Reling gezogen.
    An Bord des neuen Rettungsboots knickten ihm die Beine weg. Er stützte sich ab. Halb saß er, halb lag er auf dem Boden. Von Minute zu Minute wurde es heller. Der Tag dämmerte. Nele kauerte sich zu ihm. Ihre Augen waren feucht, und sie lächelte ihn an. »Sag dem, an den ich nicht glaube, danke von mir.«

29
    Im Norden und Westen reichte eine geschlossene Eisdecke bis zum Horizont. Die Schollen waren zu Packeis aufgetürmt, da zwischen schimmerten Eisberge rötlich im Licht der aufgehenden Sonne.
    Officer Lowe segelte sein Boot an den rettenden Dampfer heran. Carpathia stand an seinen Bug geschrieben. Andere Rettungsboote waren schneller gewesen, ihre Insassen kletterten bereits an Strickleitern den Rumpf des Schiffs hinauf zu den Gangwaytüren.
    In Lowes Boot sagte ein kleiner Junge: »Mama, ist das der Nordpol?«
    Die Passagiere der Carpathia standen aufgereiht an der Reling, sie begafften die Rettungsboote. Nach und nach mischten sich die Überlebenden der Titanic darunter. Als Lowe sich dem Schiff näherte, rief eine Frau hinab: »John, bist du da? John?«
    Niemand aus ihrem Boot antwortete. Schließlich rief einer der Seeleute: »Wir haben keinen John.«
    Die Frau schwieg enttäuscht.
    »Haben Sie meinen William?«, fragte jetzt eine andere. »Er ist vierzehn.«
    »Nein, kein William hier.«
    Aus dem Boot, das vor ihnen angekommen war, wurde gerade eine Frau hinaufgezogen. Sie saß in einer Schlinge aus Segeltuch und hielt einen Hund auf ihrem Schoß. Er winselte vor Angst.
    Endlich waren sie an der Reihe. Sie machten unter den Gangwaytüren Halt. Beide Türflügel waren weit geöffnet, künstliches Licht schien hinaus, die Zivilisation. Es war die Himmelstür, man kletterte zu ihr hinauf ins Warme, ins Leben.
    »Schaffen Sie es über die Leiter?«, fragte Officer Lowe.
    Nele sagte: »Ich denke schon.«
    Man hielt für sie die Strickleiter fest. Nele stieg auf die unterste Sprosse und begann, hinaufzuklettern. Schon nach wenigen Sprossen wurde ihr schwarz vor den Augen. Sie klammerte sich fest. Die Kälte und der Schlafmangel mussten ihr ärger zugesetzt haben, als sie gedacht hatte. Nur allmählich klärte sich wieder das Bild vor ihren Augen. Sie kletterte nun vorsichtiger, Sprosse für Sprosse. Der kalte Wind riss an ihrer Kleidung.
    Oben half man ihr ins Schiffsinnere. »Kommen Sie.« Man wollte sie fortbringen. Nele bestand darauf, an den Türen auf Matheus zu warten.
    Er war nicht in der Lage, die Strickleiter hinaufzusteigen. Man setzte ihn auf einen Stuhl und hievte ihn hinauf. Oben angekommen, erhob er sich mühsam. Nele und er bekamen jeder eine Decke umgehängt. Sie gingen gemeinsam mit anderen Überlebenden in den Speisesaal. Seine Schritte waren steif, er bewegte sich wie ein alter Mann.
    »Möchten Sie einen heißen Kaffee? Oder eine heiße Schokolade?«
    »Einen Tee, bitte«, sagte Matheus.
    Nele sagte: »Für mich einen Kaffee.«
    Bald darauf saßen sie auf Stühlen und schlürften ihr Getränk. Es war herrlich, zu sitzen und nicht länger Wind und Wasser ausgesetzt zu sein. Neles Füße begannen zu kribbeln, das Leben kehrte in sie zurück.
    Ein Steward der Carpathia verteilte Telegrammformulare und erklärte: »Sie können kostenlos Telegramme an Ihre Angehörigen verschicken, unser Funker sendet sie in den nächsten Stunden.«
    Einer der Überlebenden ließ sich von der Bar Schnaps bringen. Er zeigte der Crew einen kleinen Kartonabschnitt mit einer Nummer und beschwerte sich: »Damit hätte ich beim Zahlmeister meine Wertgegenstände aus dem Tresor gekriegt. Jetzt habe ich nur noch die Pappe, und im Tresor auf dem Meeresboden liegen meine Sachen. Wer erstattet die mir?«
    Passagiere der Carpathia halfen dabei, die Tische des Speisesaals beiseitezutragen, und stapelten die Stühle an einer Wand. Man schleppte

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