Tanz unter Sternen
nette Tischgesellschaft gefunden, mit der sie noch plauderte? Der Streit ums Geld war schrecklich gewesen, er hatte völlig über reagiert, er hätte ihr die Brieftasche nicht vor die Füße werfen sollen.
Matheus sprach ein Gebet für Samuel, ohne mit den Gedanken dabei zu sein, und deckte ihn zu. »Ich hole die Mama. Schlaf schon ein, wir sind vielleicht noch ein wenig an Deck und gucken uns Sterne an.« Er löschte das elektrische Licht und verließ die Kabine. Auf dem Weg zum Speisesaal setzte sich kalter Schweiß auf seine Handflächen. Er fürchtete sich davor, Cäcilie umringt von Männern zu sehen, die sie charmant umgarnten, auf eine Art, die er nicht beherrschte.
Im Speisesaal sah er von Tisch zu Tisch – und fand sie nicht. Unmöglich, dass er sie auf dem Weg dorthin verfehlt hatte, ihre Kabine lag nahe beim Saal, es gab nur einen Weg dorthin, und der Korridor war schmal. Wo war Cäcilie?
Er suchte auf dem Promenadendeck, in der Bibliothek. Vergebens. Ein Verdacht hockte in ihm wie ein giftiger Frosch, er glotzte ihn böse an und war nicht zu verscheuchen.
Ich muss mich waschen, dachte er, die Seife hier an Bord ist nicht die richtige. Er brauchte die braune Kernseife und einen Schwamm, mit dem er sich schrubben konnte, bis er rein war. Auch die Augen juckten. Bohrten sich da schon Larven in den Augapfel? Der Arzt wusste nichts davon, er konnte nicht alle Erkrankungen kennen.
Matheus wagte sich in die erste Klasse vor. In die Lounge wollte man ihn nicht hineinlassen, die Crew blickte vielsagend auf seinen Anzug. Obwohl er die hellen Stellen regelmäßig mit einem schwarzen Stift färbte, blieb es ein alter Anzug, der ihn als Passagier zweiter Klasse verriet.
Den Leseraum bewachte niemand, zwei Mädchen in adretten Kleidern hockten dort auf dem Plüschteppich und spielten mit ihren Puppen. Du bist rasend vor Eifersucht, warnte er sich. Sie ist vom Abendbrot nicht zurückgekehrt, na und? Du musst deiner Ehefrau vertrauen. Geh zurück zur Kabine, lass diese dumme Suche, du machst dich nur lächerlich.
Der giftige Frosch trieb ihn weiter. In den Rauchsalon ließen sie ihn nicht eintreten, aber er schaffte es, in den Speisesaal der ersten Klasse vorzudringen, indem er sich im Vorraum einer Grup pe von wohlhabenden Reisenden anschloss und mit ihnen ging, als gehörte er dazu.
Gleich hinter der Tür blieb er stehen. Er sah Cäcilie am Tisch mit feinen Leuten sitzen, sie lachte, sie amüsierte sich. Ihre alte Welt hatte Cäcilie gelockt, und sie hatte der Versuchung nachgegeben. Einer der Herren legte ihr die Hand auf den Arm. Sie zog ihn nicht fort, sah den Herrn nur kurz an, dann ließ sie ihren Arm liegen und duldete die Berührung.
Matheus wurde übel. Er stolperte aus dem Saal, stützte sich im Vorraum an der Wand ab. Jede Faser seines Körpers schrie, und zugleich fühlte er sich wie ein erbärmlicher, gedemütigter Schatten und wünschte, sich auflösen zu können, einfach zu verschwinden.
14
B itch! , fauchte jemand, als sie den prunkvollen Saal verließen. Cäcilie drehte sich um. Die Frau, der Lyman an Deck die Hand auf die Hüfte gelegt hatte, funkelte sie böse an. Ich hatte ihn zuerst, dachte Cäcilie, schon in Berlin hat er mich umworben, da war an dich noch nicht zu denken. Sie lächelte in sich hinein. Es gab ihr ein Gefühl des Triumphs, die vielen herausgeputzten Frauen zu sehen und zu wissen, dass der Engländer sich für sie, Cäcilie, entschieden hatte.
Zuerst war sie überzeugt gewesen, dass Lyman Tundale sie an Deck bringen würde, um zum Abschluss noch einmal den Abendhimmel zu genießen. Aber offenbar führte er sie zu seiner Kabine. Natürlich würde sie sich empören, sobald sie dort waren, und ihm deutlich machen, dass sie eine Dame von Anstand war.
Andererseits gefiel es ihr, dass er zu seinen Gefühlen stand. Und warum hatte sie die feinen Strumpfbänder angezogen, die mit der kleinen Schleife?
Cäcilie schluckte. Ich gehe nicht mit rein, auf keinen Fall, sagte sie sich. Gleich darauf gab sie sich der erregenden Vorstellung hin, dass der Engländer sie auskleidete und die Strumpfbänder sah, dass er ihre Schenkel mit Küssen bedeckte und vor Begehren errötete.
Matheus sah ihren nackten Körper nicht mehr. Er zog die Vorhänge zu und löschte das Licht, bevor er sich zu ihr legte. Anfangs war er neugierig und leidenschaftlich gewesen, inzwischen aber lebte er seine körperlichen Triebe so verhalten aus, als wäre es ungehörig, sie zu genießen, und fragte nicht, was
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