Tanz unter Sternen
ihr gefiel.
Sie wusste, dass es auch anders ging. Ein einziges Wort stand dafür: Madlitz! Tage und Nächte voller Vergnügen, die ihre Mutter zum zornigen Toben gebracht hatten. Vater erzählte nie davon, aber dass Mutter sich so ereiferte, wenn er nach Madlitz fuhr, genügte, um Cäcilies Vorstellungskraft anzufeuern.
Es steht dir zu!, hauchte eine lustvolle Stimme in ihr. Vielleicht half ein Abenteuer ihrer Ehe sogar, sie würde Genüsse lernen, die sie Matheus beibringen konnte.
Sie betrat hinter Lyman Tundale die Kabine. Als sie sich in seinem privaten Raum umsah, wurde ihr bewusst, wie fremd der Engländer noch für sie war. Im Grunde wusste sie nichts von ihm. Sie sagte: »Hat der Fotograf eingewilligt, die Bilder zu vernichten?«
»Die anderen Deutschen sind mir egal. Aber er hat versprochen, dass er kein Bild verwendet, auf dem du zu sehen bist.«
Er sagte zum ersten Mal du zu ihr.
Lyman schloss die Kabinentür. Er trat vor Cäcilie und umfasste zärtlich ihre Ellenbogen. »Ich habe dich beobachtet, seit Monaten. Im Sommer, mit dem weißen Kleid und dem Sonnenschirm. Im sechzehner Autobus. Ich habe dich gesehen, wie du zum Schustergeschäft gegangen bist, wie du Kaffee gekauft hast, wie du vor dem Nachrichtenaushang des Berliner Tageblatts standest und gelesen hast. Wie du dir bei einem Straßenhändler ein Armband gekauft hast. Cäcilie, ich weiß, du kennst mich kaum. Aber ich kenne dich. Und ich habe diesen Augenblick herbeigesehnt.«
Es klopfte. Cäcilie fuhr zusammen. Matheus! Wenn er sie gesehen hatte, wenn er ihnen gefolgt war! Oder jemand hatte sie verpetzt, natürlich, die Frau, die sie beschimpft hatte, sie war zu Matheus gelaufen. Cäcilie floh ins Badezimmer. Sie setzte sich auf den Rand der Badewanne und klammerte sich mit der Rechten am marmornen Waschbecken fest. Ihr Herz raste. Was hatte sie in der Kabine des Engländers zu suchen? Das war kaum zu erklären.
Lyman öffnete.
»Ein Telegramm, Sir«, sagte eine Stimme.
»Besten Dank.« Der Engländer schloss die Tür. »Lässt du dir ein Bad ein, oder kommst du wieder her?« Seine Stimme hatte einen spöttischen Unterton.
Ein Telegramm? Auf der Titanic? Sie verließ das Badezimmer. »Wer schreibt dir hierher?«
»Mein Redakteur.« Er legte das Telegramm auf den Tisch.
»Das muss ja dringend sein! Worum geht es?«
Er sah verärgert auf. »Stell nicht solche Fragen. Meine Arbeit geht dich nichts an.«
»Ach nein?« Sie kniff die Augen zusammen. »Mir läufst du nach, beobachtest mich und weißt sonst was. Aber ich darf nichts über dich wissen?«
»Ich erzähle dir ja gern von mir«, sagte er. »Das da bin ich nicht, das ist bloß die Arbeit.«
»Unterschätze mich nicht. Ich bin von erstklassigen Privatlehrern unterrichtet worden. Mit zwölf habe ich begonnen, die Vossische Zeitung zu lesen. Ich kenne mehr Regierungsmitglieder und führende Industrielle als jede andere Frau in Berlin. Die Tischgespräche im Hause Delbrück waren lehrreich.«
»Ich weiß.« Er trat hinter sie. »Verzeih mir. Es wird nicht wieder vorkommen, dass ich dich unterschätze.« So dicht kam er an sie heran, dass sie seinen Atem im Nacken spürte. Was war das? Langsam, aber beständig knöpfte er die feinen Haken ihres Kleides auf. Es erschien ihr verboten, und doch genoss sie die unscheinbaren Berührungen auf ihrem Rücken. Als er aufhörte, streifte sie sich das Kleid von den Schultern. Es glitt an ihr hinab und fiel zu Boden. Er fing an, sie zu liebkosen, küsste sie sanft hinter dem Ohr, den Hals hinunter, und streifte ihr, fast wie von selbst, die Träger des Büstenhalters über die Schultern.
Sie musste etwas sagen, ihm Einhalt gebieten. In ihrem Bauch kribbelte es. Warum war Lyman so verlockend? Sie streifte die Schuhe ab. Mit wild galoppierendem Herzen sank sie in die Kissen des Bettes und sah ihn an. Er knöpfte sein Hemd auf. Er war schlank und gut gebaut, ein kleiner Leberfleck auf der linken Brust zog ihren Blick an. Lyman beugte sich zu ihr herunter und küsste sie.
Cäcilie schlang ihre Arme um ihn. Wie im Rausch rieben sie ihre Körper aneinander. Plötzlich hielt er inne, richtete sich auf und fragte: »Willst du das wirklich?«
Ja, rief die lustvolle Stimme in ihr. Cäcilie wartete darauf, dass die Vernunft etwas erwidern würde, aber sie horchte ergebnislos in sich hinein, ihre Vernunft schwieg.
Behutsam zog Lyman sie ganz aus und legte sich neben sie. Er berührte ihre Brust, küsste und streichelte sie. Nach einer Weile legte er
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