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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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zu.
    »Cäcilie. Ich bin die Tochter des kaiserlichen Hofbankiers Ludwig Delbrück.«
    »Delbrück, das sagt mir etwas, natürlich! Bankhaus Delbrück, Schickler & Co.« Der Herr nickte erfreut. »Ihr Vater hat doch letztes Jahr die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gegründet, da bin ich Mitglied. Er ist zweiter Vizepräsident, nicht wahr?«
    Sie nickte.
    »Er ist uns allen ein großes Vorbild. Ein Mann mit Rückgrat. Als der Hansabund sich den Sozialdemokraten zugewandt hat, ist er gleich ausgetreten. Das verdient Bewunderung. Ihr Vater scheut sich nicht, Signale zu setzen.«
    Zwei Kellner brachten Consommé fermier. Cäcilie wartete, ob jemand ein Tischgebet sprechen würde, aber die anderen falteten einfach ihre Servietten auf die Schöße, tauchten die Löffel ein und aßen, also aß sie auch. Die Suppe lockte mit herbem, salzigem Geschmack den Gaumen und machte Lust auf mehr.
    »Wir sitzen im größten Schiff der Welt«, sagte Lyman, »und vergessen völlig, was diese technische Meisterleistung erneut beweist: Unsere Kultur ist schwach geworden, wir werden von der brutalen Kraft der Technologie überrollt. Überrollt, zerstört und neu aufgebaut.«
    Der Herr mit dem Monokel brummte zustimmend.
    Lyman fuhr fort: »Nehmen wir allein den Adel in Großbritannien. Er geht unter. Die Landwirtschaft auf seinen Gütern hat diesen Stand reich gemacht, jetzt macht sie ihn bankrott. Und warum? Gefrierschiffe ruinieren ihn! Plötzlich ist es lukrativ, Fleisch aus anderen Ländern anzukaufen, es ist billiger als unser eigenes. Und die Regierung weigert sich, die Adligen durch Schutzzölle zu retten. Wir sind Weltführer in Import und Export, aber für die adligen Landbesitzer ist es eine Katastrophe. Selbst die angesehensten Familien müssen ihren Besitz verramschen, um zu überleben.«
    Stammte er aus einer solchen Familie? So musste es sein. Ich habe großen Respekt vor ihm, dachte Cäcilie. Wie blass wirkte dagegen Matheus.
    »Im Kaiserreich haben wir den Vorteil«, sagte der Schnauzbärtige, »dass die Regierung den Adel schützt, mit Zöllen, wie Sie sagen, und mit Steuererleichterungen. So bleibt der Landbesitz einigermaßen profitabel.«
    Die Kellner räumten die Suppenteller ab und brachten Buttfilet.
    »Haben Sie gehört, dass Karl May gestorben ist?«, fragte eine der Damen.
    »Ich kenne ihn nicht«, erwiderte die andere.
    »Karl May, der Romanautor! Er ist vor zwei Wochen gestorben.«
    Der Herr mit dem Monokel fragte: »Ist nicht unser Handelsminister ein Delbrück? Clemens Delbrück, natürlich! Sind Sie verwandt?«
    Plötzlich war da ein Fotograf, die Westentaschenkamera bereits aufgeklappt und das Objektiv hervorgezogen, und machte Bilder von ihnen am Tisch. Cäcilie hob die Serviette, um ihr Gesicht zu bede cken. Zu spät, der Fotograf hatte bereits abgedrückt und zog weiter.
    »Eine Dreistigkeit!«, sagte die Dame mit dem Fuchsfell. »Ohne uns zu fragen!«
    Cäcilie sah Lyman Tundale flehentlich an. »Tun Sie etwas! Gehen Sie ihm nach und sagen Sie ihm, er soll die Kamera herausrücken!«
    Der Schnauzbärtige sagte: »Oder finden Sie wenigstens heraus, für welches Blatt er fotografiert.«
    Fotos von ihrer Untreue in einer großen Zeitung, das war das Letzte, was sie gebrauchen konnte. Man würde sie erkennen. Den Krämer in Berlin hatte Lyman Tundale so unwirsch behandelt, warum zögerte er jetzt?
    »Ich sehe mal, was ich erreichen kann.« Er stand auf und ging zum Fotografen hinüber, der inzwischen in eine Diskussion mit den Kellnern verwickelt war. Während er sprach, klappte er eine zweite Kamera auf, als rechne er damit, gleich weitermachen zu können. Lyman Tundale stellte sich dazu und redete ruhig auf ihn ein. Der Fotograf sah zu Cäcilie herüber. Er nickte.
    Die Dame, die Cäcilie gegenübersaß, beugte sich nach vorn. »Wo haben Sie diesen schmucken Mann gefunden? Mister Tundale ist klug, hat Manieren, sieht umwerfend aus … Ich dachte immer, so etwas gibt es heute nicht mehr.«
    Ihr Ehemann ließ empört das Monokel aus dem Auge fallen. »Ich verbitte mir solche Bemerkungen!«
    Als Cäcilie nach einer Stunde immer noch nicht zurückgekehrt war, wurde Matheus unruhig. Er brachte Samuel zu Bett. Irgendetwas wollte der Junge ihm erzählen, über Leute von der Crew und was er tun sollte, wenn sie in die Kabine kämen, aber Matheus verstand es nicht und hörte ihm auch nicht recht zu, seine Gedanken kreisten unentwegt um Cäcilie.
    Sie aß doch allein zu Abend, warum brauchte sie so lange? Hatte sie

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