Tanz unter Sternen
hätte ich niemals tun dür fen.« Er sah sie an. »Cäcilie, ich vergebe dir das mit dem Eng länder.«
Kein Wort sagte er von seiner Geliebten. Glaubte denn jeder, man könne sie für dumm verkaufen? »Das sagst du so von deinem hohen Ross herunter, ohne mit der Wimper zu zucken. Du warst schon immer ein begabter Lügner. Was ist mit deiner Liebschaft zur Revuetänzerin? Bildest du dir ein, ich merke nichts davon?«
Röte schoss ihm ins Gesicht. »Da ist nichts«, stotterte er, »wir … wir reden nur.«
»Ach?« Sie verzog den Mund.
»Ja, unsere Ehe ist kaputt, Cäcilie. Das heißt noch nicht, dass wir sie nicht reparieren können! Du willst Leidenschaft und immerwährendes Glück haben, nur ist das Leben nicht so, es gibt auch schlechte Tage. Trotzdem dürfen wir nicht aufgeben! Liebe ist kein Schicksal. Sie ist etwas, das man gemeinsam pflegt, die Liebe kann wachsen oder verkümmern, wir nehmen Einfluss darauf. Mag sein, dass wir uns von anderen angezogen fühlen, du vom Engländer, ich von der Tänzerin, aber Liebe ist nicht so, als würde man vom Automobil angefahren, als habe man keine Wahl. Liebe erwischt einen nicht einfach, sondern wir müssen uns für die Liebe entscheiden und sie leben wie eine Berufung. Willst du unsere Ehe mit neuem Leben füllen? Ich will es.«
»An diesem kleinen Vortrag hast du sicher lange gearbeitet. Du hast deinen schönen Pastorentonfall drauf, mit dem du die Schäfchen in der Kirche überzeugst.« Sie zischte: »Ich soll dir vertrauen, während du nicht mal deine eigene Liebhaberin erwähnst? Du lügst, wenn du nur den Mund aufmachst. Meinst du, ich habe deine Ausflüchte nicht satt, deine Notlügen? Ich weiß überhaupt nicht mehr, wer du bist. Du zeigst doch nie dein wahres Gesicht.«
»Und dieser Lyman Tundale, der tut das, ja, glaubst du das? Ich habe ihn belauscht, ihn und einen Mann vom britischen Militär. Der Offizier hat gesagt: Vergessen Sie nicht, dieses Schiff hat eine wichtige militärische Aufgabe. Und dann haben sie über den Mythos der Unsinkbarkeit gesprochen, den dein feiner Journalist erst der Presse untergejubelt hat.«
»Du siehst Gespenster, Matheus.«
»Tue ich nicht. Woher würde ich sonst diese Geheimnisse wissen? Die Titanic hat eine baugleiche ältere Schwester, die Olympic, und die wurde letztes Jahr bei einem Fahrunfall vor der Isle of Wight vom Kreuzer Hawke gerammt. Das Kriegsschiff besitzt einen Rammbug aus Stahl und Beton, der dafür konstruiert ist, feindliche Schiffe zu versenken. Aber die Olympic ist nicht gesunken. Zwei ihrer wasserdichten Kammern wurden geflutet, und trotzdem ist sie ohne Mühe zurück nach Southampton gefahren. Daraus hat Lyman Tundale die Legende der unsinkbaren Schwesternschiffe Olympic und Titanic gewoben. Er war das, Cäcilie, und er verfolgt ein Ziel damit! Es geht darum, die Deutschen einzuschüchtern. Es geht um den bevorstehenden Krieg. Was glaubst du, warum er sich so gut mit dem Reich auskennt? Ich bin mir sicher, Lyman Tundale«, er sah sie bedeutungsschwer an, »arbeitet für den britischen Geheimdienst.«
Matheus schwindelte oft, aber dumm war er nicht.
»Man treibt ein böses Spiel mit uns«, sagte er. »Man hat uns auf die Titanic gelockt, denk an das seltsame Telegramm! Alles nur, damit du von britischen Agenten ausspioniert werden kannst. Natürlich haben sie das nicht in Deutschland gemacht, wo du deine Heimat vor dir siehst und es dir schwerfällt, sie zu verraten, sie haben dich weggelockt in die Fremde. Er zeigt dir den Luxus, den du vermisst, er macht dich mir abspenstig … Cäcilie, dieser Engländer will dich nur benutzen! Vielleicht versucht er, über dich und deinen Vater an den Kaiser heranzukommen. Ich will nicht, dass unsere Ehe stirbt, nur weil du einen berühmten Vater hast. Wir müssen uns wehren.«
»Lass mich nachdenken.« Lyman hatte recht gehabt mit der Geliebten, aber offenbar wollte Matheus bei ihr bleiben. Konnte sie ihre Unterschrift rückgängig machen? Was würde Lyman tun, wenn sie trotz ihrer Unterschrift die Zusammenarbeit verweigerte? Oft hatte sie bei ihm das Gefühl gehabt, in Gefahr zu sein, sie hatte es genossen, das Böse, das Raubtierhafte an ihm. Was, wenn es sich gegen sie wendete? Ihr Blick fiel auf den schlafenden Samuel. Er war ihre Schwachstelle. Wenn der Engländer drohte, Samuel etwas anzutun, war sie ihm ausgeliefert. Er hat mich in der Hand, dachte sie. Den Vertrag hatte er außerdem, mit dem er sie bloßstellen konnte, er musste nicht mal Samuel
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