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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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meine Gesellschaft?«
    »Der Lärm. Mit Ihnen würde ich wirklich gern reden.«
    »Dann gehen wir in meine Kabine.« Sie führte ihn durch die Flure ins Mitteldeck und schloss die Kabine auf. Als er sich aufs Bett gesetzt hatte, nahm sie barfuß am Kopfende Platz, winkelte die Knie an und sagte: »Was ist passiert? Ein Alles-richtig-Macher wie Sie schlägt nicht ohne Anlass zu.«
    »Sie hat einen Geliebten hier an Bord, einen Engländer. Ich hab gesehen, wie sie sich geküsst haben. Sie ist gerade wieder zu ihm gegangen. Ich bin einfach nicht der richtige Mann für Cäcilie. Wenn ich diesen Lyman Tundale sehe, im feinen Anzug, reich, gebildet – nehmen Sie mich im Vergleich: Ich habe nichts, ich kann nichts.«
    »Warum hat Cäcilie Sie geheiratet?«
    »Wenn ich das wüsste! Sie ist aus gutem Hause, sie hätte einen Unternehmer haben können oder einen adligen Offizier. Dann würden Dienstmädchen sie umsorgen. Sie könnte das Leben einer Dame führen.«
    »Vielleicht will sie das gar nicht.«
    »Sie gibt mir dauernd zu verstehen, wie unzufrieden sie mit mir ist. Cäcilie wünscht sich einen Mann, der entscheidungsfreudig ist und etwas hermacht.«
    »Wie ging es Ihnen damals, als Sie heirateten?«
    Er dachte nach. »Damals glaubte ich, wenn ich diese Frau gewonnen habe, kann ich die ganze Welt erobern.«
    »Also waren Sie stark damals.«
    Er runzelte die Stirn. »Ja.«
    »Wie haben Sie Ihre Zeit verbracht?«
    »Oft sind wir abends ins Kino gegangen. Und wir waren beinahe jeden Tag spazieren, wir haben viel gelacht.«
    »Und dann?«
    »Ich weiß nicht. Es gab Streit mit ihrem Vater. Irgendwann fing sie wohl an, seine Villa zu vermissen. Sie hat angefangen zu nörgeln, hat mir vorgeworfen, dass ich geizig bin. Der Alltag hat unsere Zeit aufgefressen. Zuerst haben wir nur noch am Sonntagnachmittag Ausflüge gemacht, dann fielen auch die ins Wasser, weil Samuel krank war oder ich zu tun hatte, irgendwas war immer.«
    »Das hört sich für mich nicht so an, als wären Sie der falsche Mann für Cäcilie. Der richtige Mann steckt in Ihnen.«
    Er blinzelte. »Wir reden die ganze Zeit von mir. Sagen Sie doch auch etwas über sich. Sie sind Varietétänzerin, haben Sie erzählt. Ich muss gestehen, dass ich bisher nie in einem Varietétheater war.«
    Hatte sie das wirklich erwähnt? Er hörte gut zu. »Ich hab im Wintergarten gearbeitet. Davon haben Sie aber schon gehört, oder?«
    »Meinen Sie den Wintergarten an der Friedrichstraße?« Er hob erstaunt die Brauen.
    »Genau den.«
    »Dann sind Sie ein Star, und ich bin vermutlich der Einzige in Berlin, der Sie nicht kennt. Wie peinlich!«
    »Ach was. Ich bin kein Star. Würde ich sonst dritter Klasse fahren? Im Wintergarten wechselt alle zwei Wochen das Programm, die Besucher wollen ja ständig neue Nummern sehen. Da arbeiten unzählige Künstler, die großen holt der Direktor aus New York oder Paris oder London, und die kleinen wie ich dürfen zwischendrin mal auf die Bühne.«
    »Wie muss ich mir das vorstellen?«
    »Alles gibt es, Jongleure, Kraftmenschen, Clowns. Haben Sie mal vom Entfesselungskünstler Houdini gehört?«
    »Ja. Hat er sich nicht kopfüber an ein Hochhaus hängen lassen und sich aus einer Zwangsjacke befreit? Und man hat ihn gefesselt in einen Fluss getaucht. Er hat sich unter Wasser frei gemacht, richtig?«
    »Der tritt im Wintergarten auf. Dazu Sänger, Artisten, Girltrupps. Es gibt Tierdressuren und eben Tänzerinnen wie mich.«
    »Wie tanzen Sie, wenn Sie auf der Bühne sind?«
    Täuschte sie sich, oder war er rot geworden? Seine Schüchternheit reizte sie. »Soll ich es vormachen?«
    Er nickte.
    »Ist ein bisschen eng hier. Aber ich versuch’s.« Sie stand auf und drehte sich, langsam, ohne Eile. Vor ihm zu tanzen, beschleunigte ihren Puls. Sie lächelte, bewegte geschmeidig ihre Arme. Auf die Hände kommt es an, hörte sie in Gedanken ihre Tanzlehrerin, die alte Sanden, sagen. Nele ließ sich in den Spagat fallen. Langsam richtete sie sich auf, bog das hintere Bein hinauf. Zur Musik der Stille tanzte sie. In seinen Augen war ein Flackern, es verriet, dass ihm ihr Tanz gefiel.
    Sie wiegte die Hüfte, wie sie es für die orientalischen Tänze gelernt hatte, beschrieb mit den Armen einen weichen Bogen. Mitten im Tanz sank sie zu ihm aufs Bett. Sie strich ihm mit der Hand über den Bauch. Rutschte höher. Höher. Bis sich ihre Münder berührten. Zärtlich küsste sie ihn.
    »Du bist ein liebenswerter Mann, Matheus«, sagte sie. »Lass dir nichts anderes

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