Tanz unter Sternen
einreden.«
Cäcilie sah die Papiere auf dem Tisch. Sie zwang sich, nicht hinzuschauen. Das ging sie alles nichts mehr an. »Lyman, es geht nicht. Ich bleibe bei Matheus.«
Sein Blick lauerte. »Liebst du ihn?«
»Im Augenblick nicht.«
»Also –«
»Warte«, unterbrach sie ihn, »lass mich ausreden. Ich habe ihn geheiratet, und wir haben einen Sohn. Ich bin verwirrt, du weißt, dass ich mich nach dir sehne, und nur nach dir. Bei jedem Atemzug denke ich an dich. Aber ich darf meine Ehe nicht kaputt machen. Ich habe es versprochen.«
Er trat auf sie zu, sah ihr tief in die Augen. »Cäcilie …«
»Bitte, mach es mir nicht so schwer«, sagte sie. »Sonst schaffe ich es nicht.« Als er sich weiter näherte, hob sie abwehrend die Hände. »Bitte, Lyman!«
»Ich rühre dich nicht an. Aber reden müssen wir. Du hast ein schlechtes Gewissen wegen Matheus, nicht wahr?«
»Sehr.«
»Das brauchst du nicht. Matheus ist selbst auch kein unbeschriebenes Blatt. Er hat eine Geliebte, und er wird dich verlassen.«
Ihr stockte der Atem. Was sagte Lyman da?
»Ist dir keine Veränderung an ihm aufgefallen?«
»Das kann nicht sein. Nicht Matheus. Ich kenne ihn, er würde so etwas nicht tun.«
»Denk nach. Hat er sich verändert?«
Tief sank das bittere Wissen in sie ein. »Doch«, hauchte sie. »Er war so fröhlich, so selbstbewusst. Wie damals.«
»Seine Geliebte ist Varietétänzerin. Sie kommt aus Berlin und ist hier an Bord. Er ist gerade bei ihr, vermute ich. Sie treffen sich schon seit längerer Zeit. Matheus hat gedacht, er würde mich beobachten, aber es ist umgekehrt, ich habe ein Auge auf ihn gehabt.«
Das tut er nur, weil ich ihn betrüge, dachte sie. In ihrer Vorstellung sah sie ihn mit einer wunderschönen, langbeinigen Frau über das Deck spazieren, einer Frau, die ihm lächelnd zuhörte, während er von seiner Schiffshavarie im Mittelmeer erzählte. »Meinst du, er will sich von mir scheiden lassen?«, fragte sie.
Lyman fragte zurück: »Was denkst du?«
Ihre Finger waren steif vor Angst, sie wollte sich rühren, wollte tief Atem holen, aber sie konnte es nicht. »Er dachte schon immer, dass ich nicht die Richtige für ihn bin.« Ihre Lider flatterten. »Zu meinem Vater gehe ich nicht zurück, seinen Triumph könnte ich nicht ertragen.«
»Du hast mich«, sagte Lyman und lächelte. »Du wirst es als geschiedene Frau besser haben als je zuvor.«
»Unsinn!« Wie konnte er das sagen? Ihr Leben stürzte zusammen, und er tat so, als sei es eine Veränderung zum Guten. »Ich werde geächtet sein, gesellschaftlicher Abschaum! Die abtrünnige Tochter des Bankiers Ludwig Delbrück, die Leute haben nur darauf gewartet. Meine Verwandten werden sich das Maul zerreißen! Ich hab sie damals beschimpft, und nun können sie es mir heimzahlen. Vielleicht stecken sie mir Geld zu und feixen dabei, und ich muss es nehmen, um nicht mit Samuel auf der Straße zu landen. Oder sie geben mir keins, weil Vater es ihnen verbietet, so lange, bis ich bei ihm zu Kreuze gekrochen bin.« Sie erschrak. »Der Kirchenrat, was wird er zu Matheus sagen, wenn er sich scheiden lässt und mit einer Revuetänzerin durchbrennt? Matheus wird gefeuert werden, er wird sich mit dieser Hure zugrunde richten. Und was soll aus Samuel werden? In der Schule wird man ihm Schimpfworte hinterherrufen, die Mutter eine Ehebrecherin, der Vater ein Vergnügungssüchtiger, der seinem Berufsstand Unehre macht!«
»So muss es nicht werden«, sagte Lyman. »Du kannst dir selbst den Lebensunterhalt verdienen und in Würde leben.«
»Wie denn, bitteschön? Soll ich zwölf Stunden am Tag in der Fabrik an der Spinnmaschine sitzen? Wer kümmert sich in der Zeit um Samuel?«
»Du kannst für England arbeiten. Damit könntest du deinem Vater eins auswischen, und ich würde dir ein gutes Leben ermöglichen. Du hättest ein stattliches monatliches Gehalt.«
»Für England arbeiten? Wie meinst du das?« Sie kniff die Augen zusammen.
»Vertrau mir, Cäcilie.«
Da begriff sie. Die Erkenntnis traf sie wie ein Hieb. »Du bist kein Journalist, nicht wahr? Du bist ein englischer Spion.«
»Ich arbeite für den neu gegründeten Secret Service. Daran ist nichts Ehrenrühriges, jedes Land hat seinen Nachrichtendienst.«
»Du hast in Berlin spioniert. Du hast mich nur deshalb becirct, weil ich die Tochter des kaiserlichen Schatullenverwalters bin!« Ich bin so dumm, dachte sie, so dumm! »Und jetzt willst du, dass ich auch noch zur Hochverräterin werde.« Keinen seiner
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