Tapas zum Abendbrot
die Mutter bleiben abwesend. Maxâ Familie versucht diesen Verlust zu ersetzen: Seine Mutter organisiert eine Mehndi-Party, bei der sich alle Frauen Hände und FüÃe mit kunstvollen und verschlungenen Mustern bemalen lassen. Viele der Gäste erscheinen indisch gekleidet. Anjali selbst trägt einen cremefarbenen Sari. Strahlend schön steht sie neben ihrem nervösen Bräutigam am Ufer eines Flusses. Zusätzlich zur standesamtlichen Trauung wollten die beiden eine Hindu-Zeremonie feiern. Sie beten also mit dem indischen Priester zu Ganesh, dem Gott der Weisheit und des Wissens, legen sich gegenseitig Blumenketten um, strahlen um die Wette. Dann folgt der Höhepunkt der Zeremonie: Max legt Anjali die »Mungal Sutra« um â eine Kette, die signalisiert, dass sie nun verheiratet sind.
Kein Brief aus Australien erreicht Anjali, kein Glückwunsch. Irgendwann im Laufe des Tages ruft sie zu Hause an. »Ich habe den ganzen Tag an dich gedacht«, sagt sie zu ihrer Mutter. Dass es ihr Hochzeitstag ist, bleibt unausgesprochen.
Die Mutter fragt: »Bist du glücklich?«
»Das bin ich«, antwortet Anjali. »Sehr glücklich.«
Anjali weiÃ, dass jetzt eine Politik der kleinsten Schritte angesagt ist. Der wichtigste dieser Schritte ist die Geburt ihres Sohnes Shivam. Denn natürlich möchte die frischgebackene Oma ihren Enkel gerne kennenlernen. Und natürlich gehört dazu, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Als Anjali und Max beschlieÃen, mit Shivam nach Australien zu reisen, wird die Familie deshalb eingeladen, im Haus der Mutter zu wohnen â für Max eine nicht gerade angenehme Idee.
»Was, wenn uns das den ganzen Urlaub versaut?«, fragt er. SchlieÃlich spricht seine Schwiegermutter nicht einmal mit ihm. Anjali fühlt sich einmal mehr zwischen den Fronten. Sie weiÃ: Die Einladung war keine leichte Entscheidung für ihre Mutter. Jetzt abzulehnen, das wäre eine schlimme Zurückweisung. SchlieÃlich kann sie Max überzeugen â und die beiden ziehen mit ihrem Sohn für zwei Wochen in Anjalis Elternhaus.
»Dass das möglich ist, hätte ich vor drei Jahren nie gedacht«, sagt Anjali. »Vielleicht liegt es auch daran, dass meine Schwester einen Inder geheiratet hat und mittlerweile schon wieder geschieden ist. Ich dagegen bin sehr glücklich verheiratet. Das hat meine Mutter wohl zum Nachdenken gebracht.«
Zwar fallen zwischen Max und seiner Schwiegermutter kaum mehr als Höflichkeitsfloskeln â aber immerhin. »Ich bin geduldig«, sagt Anjali. »Es ist sehr hart für meine Mutter, sich zu ändern. Aber sie ist ja kein schlechter Mensch. Und ich verstehe ihren Standpunkt auch. Ich teile ihn nur nicht.«
Anjali, Max und Shivam wohnen heute in Berlin-Mitte. Internationale Paare gehören hier zum Alltag. Anjali hat sogar eine Freundin gefunden, die ihren regionalen Heimatdialekt spricht und den Kleinen ab und zu babysitten kann. Durch ihre groÃe Wohnküche schallen häufig Kinderlieder aus den Boxen â mal adrett und akkurat auf Deutsch, mal lustig auf Englisch, mal orientalisch an mutend auf Hindi. Noch ist Shivam erst ein Jahr alt, aber schon jetzt soll er alle drei Sprachen kennenlernen. Und natürlich auch beide Religionen. Jeden Abend um 18 Uhr stellt Anjali deshalb ein kleines Tablett vor Shivam auf den Tisch, entzündet darauf eine Kerze, klingelt mit einer Glocke und spricht ein paar Gebete. Will der Kleine mit der Figur des Gottes Ganesh spielen, so hält sie ihn sanft, aber sehr bestimmt davon ab. Er soll begreifen, dass das hier kein Spielzeug ist, sondern etwas ganz Besonderes.
18 Uhr war schon vor Shivams Geburt ihre heilige Zeit. »Ich bin überzeugt, dass es uns besser geht, wenn ich jeden Tag bete«, sagt Anjali. Anfangs war ihr das vor Max noch unangenehm. Mittlerweile aber zündet er die Kerze für sie an, wenn sie am Abend nicht daheim sein kann.
Sollte Shivam sich eines Tages für das Christentum interessieren, dann würden sie ihm alle Fragen geduldig beantworten, sagen Anjali und Max. Shivam soll seinen Weg selbst wählen â auch, wenn das nicht Anjalis Weg ist. »Ich bin schon gespannt, ob ich das dann wirklich akzeptieren kann«, sagt sie. »Oder ob ich dann vielleicht auch manchmal denke: âºIch weià aber viel besser, was gut für dich ist!â¹Â«
»Ein Ãgypter? Tu mir das nicht an!«
GroÃ, dunkelhaarig,
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