Tapas zum Abendbrot
Genieà es einfach weiter.« Also genossen die beiden die gemeinsame Zeit. Bald darauf besuchte Mariana ihren Freund in Kolumbien. Und so nahmen vier Jahre Fernbeziehung ihren Anfang. Vier Jahre lang organisierten sie sich Praktika in Mexiko, Besuche in Ecuador und Aufenthalte in Deutschland. Seit vier Jahren überkommt Mariana kurz vor der Abreise immer wieder diese Panik: »Wie sollen wir das nur hinbekommen?« Und seit vier Jahren antwortet Lennart darauf: »Irgendeine Möglichkeit finden wir schon. Wie immer!«
Nächstes Jahr macht Mariana ihren Abschluss an der Uni in Ecuador. Auch Lennart wird sein Studium bald beenden. Mittelfristig, so stellen sie sich das momentan vor, wollen sie gern in Lateinamerika leben. Nicht in Quito, jedenfalls nicht mit Kindern â zu gefährlich. Aber Deutschland soll es auch nicht unbedingt sein.
Würden sie irgendwann doch einmal in Ecuador leben, so würde sich für Lennart und Mariana sicher manches ändern. Mariana würde wieder regelmäÃig in die Kirche gehen, was sie in Deutschland so gut wie nie tut. Sie würde sich wohl immer wieder das Drängen der Eltern anhören müssen, Lennart solle sie zum Gottesdienst begleiten. Zwar will Mariana nicht, dass ihr Freund etwas tut, ohne davon überzeugt zu sein, aber manchmal fragt sie sich dann doch: Warum kann er nicht Katholik, warum nicht wenigstens getauft sein?
Einmal hat Lennart ihr den Unterschied zwischen einem Atheisten und einem Agnostiker erklärt: Ein Atheist glaubt nicht an eine höhere Macht. Einem Agnostiker ist es schlichtweg egal, ob es eine höhere Macht gibt. Das hat Mariana verletzt. »Zu wissen: Lennart geht davon aus, dass Gott existieren könnte, aber selbst wenn dem so wäre, wäre es ihm egal â das ist hart«, sagt sie. »Dass es Gott gibt, ist für mich etwas ganz Wichtiges. Es wäre für mich angenehmer zu denken, dass er daran einfach nicht glauben kann. Aber dass es ihm egal ist ⦠Da sind wir sehr verschieden.« Mariana zuckt die Schultern. So häufig sei das alles ja auch gar nicht Thema zwischen ihnen. Allerdings: Wenn die gemeinsamen Kinder einmal genauso denken würden wie Lennart â »das würde mich sehr stören. Er ist eine Sache. Eine andere Sache sind meine Kinder.« Bei manchen Fragen sind Kompromisse schwierig. Ein bisschen glauben â das gibt es nun mal nicht.
Was glaubst du?
Für Paare wie Lennart und Mariana ist die Familiengründung aber nicht nur der Punkt, an dem sie sich die Gretchenfrage stellen müssen: Wie halten wirâs mit der Religion? In den vielen Jahren der Kindererziehung â das wissen sie â werden ständig Fragen hinzukommen. Und die werden von Mariana intuitiv oft anders beantwortet werden als von Lennart. SchlieÃlich sind sich schon deutsch-deutsche Paare in der Kindererziehung oft uneinig. Da kann es sogar wichtiger sein, dass man einen ähnlichen Bildungshintergrund und ähnliche Werte teilt, als aus dem gleichen Kulturkreis zu stammen oder an denselben Gott zu glauben.
Dass der gemeinsame Glaube nicht so wichtig ist, sehen in Ecuador allerdings viele anders. Einmal etwa erhält Mariana von ihrer ältesten Schwester einen Anruf. Die Eltern haben damals Geldsorgen, und Marianas Schwester befindet düster: »Dass es unseren Eltern so schlecht geht, daran seid ihr schuld, weil ihr unehelich zusammenlebt. Gott bestraft uns dafür.« Mariana wiegelt ab. Sie könne diese Wahrheit nicht erkennen, weil sie nicht richtig glaube, sagt ihre Schwester. SchlieÃlich gehe sie viel zu selten in die Kirche. Dann fügt sie hinzu: »Wenn du das nächste Mal nach Hause kommst, müssen wir reden, und dann wird sich einiges ändern.« Genau die gleichen Worte sagt sie auch zur mittleren Schwester, die mittlerweile bei ihrem Freund in Ãsterreich lebt. Dort erzeugen ihre Worte deutlich mehr Wirkung: Die junge Frau ist verunsichert. Sollte sie wirklich schuld an der Misere der Familie sein? Für eine Ecuadorianerin ist das ein furchtbarer Gedanke, der furchtbarste überhaupt. Also geht sie in Wien zu einem Priester, der spanisch spricht. »Padre«, fragt sie ihn, »kann es sein, dass Gott meine Familie für mein sündhaftes Zusammenleben mit einem Mann straft?«
Der Priester verneint. »In der Bibel steht nirgendwo, dass wir für das Schlimme verantwortlich sind, das unseren Eltern widerfährt«, sagt er.
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