Tapas zum Abendbrot
und schlieÃlich nach Australien.
»Dabei haben sie nicht mitbekommen, dass sich auch in Indien Dinge ändern«, sagt Anjali. »Sie bewahren die Traditionen ihrer Kindheit. Je weiter weg sie von zu Hause sind, umso wichtiger ist das.«
Als Inderin in der Diaspora wuchs sie in einer klaren Hierarchie auf â in der sie zu ihren Eltern aufschaute, immer. Das Wichtigste dabei: zu tun, was die Eltern für richtig hielten. Sie stolz zu machen. Sie zu ehren. »Für Menschen aus dem Westen ist es oft schwierig zu verstehen, wie in Asien die Beziehungen zwischen Kindern und Eltern funktionieren«, sagt Anjali. »Kinder wissen nach dieser Ãberzeugung nicht immer, was gut für sie ist. Aber die Eltern wissen das.«
Wenn man mit solchen Grundsätzen groà geworden ist, tut jeder Verstoà gegen die Regeln weh. Etwa nach sich selbst zu schauen, »egoistisch zu sein«, wie Anjali sagt. Ihr ganzes Leben lang tänzelt sie schon zwischen den zwei Welten. Eine, die ihr sagt, sie habe ein Recht auf gröÃtmögliches Glück. Und eine, die sagt, es gebe nichts Schlimmeres, als seine Wurzeln zu vergessen.
Der Konflikt, der bei Mariana aus Ecuador nur im Hintergrund schwelt, hat bei Anjali von Anfang an die AusmaÃe eines Flächenbrandes. Bei beiden hat die Ablehnung der Eltern mit ihrem Glauben zu tun. Bei beiden setzten sich die Töchter gegen die Eltern durch. Und beide schmerzt das mehr, als ein Westeuropäer es sich jemals vorstellen könnte.
Anjalis Mutter sagt immer wieder: »Was würde dein Vater nur sagen! Wie kannst du ihm das antun? Wie kannst du mir das antun?« Oder auch: »In zehn Jahren wirst du geschieden sein â aber dann brauchst du nicht mehr nach Hause zu kommen!«
Liebe am Gipfel
Das alles hatte Anjali geahnt, als sie Max auf einer Reise durch Lateinamerika kennenlernte, mitten in den peruanischen Anden. Damals wanderte sie drei Tage lang auf dem berühmten Inca-Trail, dessen Pfade bis nach Machu Picchu führen. Machu Picchu, diese sagenumwobene Stadt. Sie raubt ihren Besuchern nicht nur wegen ihrer Schönheit den Atem â sondern auch, weil hier oben, auf über 2000 Metern, die Luft dünn ist. Anjali war die langsamste in ihrer Wandergruppe. Als der schmale Pfad an einer Stelle steil nach oben führte, machte sie wieder einmal Pause und schnappte nach Luft. Da stand plötzlich ein junger Mann neben ihr. Er war der Schnellste der Wandergruppe, die hinter Anjalis Truppe lief. Sie kamen ins Gespräch. Und plötzlich fiel auch das Weitergehen leichter. Es war so einfach, mit diesem Max aus Deutschland zu reden, und es fühlte sich für Anjali an, als würde sie ihn schon ihr ganzes Leben lang kennen. Ein merkwürdiges Gefühl. Und das bei einem, der sieben Jahre jünger war als sie selbst, einem Studenten!
Am letzten Tag ihrer Wanderschaft erkundeten Anjali und Max gemeinsam Machu Picchu, danach fuhren sie mit dem Zug zurück nach Cuzco. Max sagte, er werde am Abend mit Freunden in eine Bar gehen â sie könne ja auch kommen, wenn sie Lust hätte. Anjali gab zurück, da müsse sie ihre Freundin fragen, mit der sie sich in Cuzco ein Zimmer teilte. Gleichzeitig wummerte es in ihrem Kopf: Bloà nicht verlieben! Er ist kein Inder!
Die Freundin fühlte sich an diesem Abend nicht gut und wollte lieber nicht ausgehen. Auch Anjali war müde von der Tour, die hinter ihr lag. Sie saà auf dem Bett und dachte: Soll ich allein in diese Bar gehen? Zu einem Mann, den ich kaum kenne?
Wäre sie an diesem Abend nicht doch noch losgezogen, so hätte sie Max vermutlich nie wiedergesehen. Es war sein letzter Abend in Cuzco. Nachdem sie E-Mail-Adressen ausgetauscht hatten, reiste er gen Norden weiter. Anjalis Pläne führten sie in den Süden. Eigentlich. Doch sie vermisste Max, wie sie noch nie jemanden vermisst hatte. »Lass uns in zwei Tagen in La Paz treffen«, schrieb sie ihm deshalb. Und hoffte, dass er irgendwann in diesen zwei Tagen in ein Internetcafé gehen würde, um seine Mails abzurufen. Er tat es. Und als sie sich schlieÃlich wiedersahen, war beiden klar: Das hier war mehr als eine nette Reisebekanntschaft.
Anjali liebt diese Geschichte. Und sie liebt Max. So sehr, dass sie zwei Jahre nach dem Kennenlernen den Kampf mit der Mutter auf sich nimmt, und ein weiteres Jahr darauf Max heiratet. Aus Anjalis Familie reisen dafür nur zwei Schwestern an, drei Geschwister und
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