Tapas zum Abendbrot
dem Frauen vielleicht so emanzipiert sind wie in keinem anderen der Welt. Zumindest bei einigen deutschen Männern hatte ich zuvor festgestellt, dass Schlagfertigkeit, beruflicher Ehrgeiz und Selbstständigkeit eine Frau nicht unbedingt attraktiver wirken lieÃen. Morten fand gerade das an Frauen toll. Das Wichtigste aber: Er hatte etwas zu sagen, und das, was er sagte, fand ich nicht nur schlau, es interessierte mich auch. Ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt, als er mir eine seiner Lagerfeuergeschichten erzählte. Geschichten erzählen, das kann er auch auf Englisch wirklich gut.
Kennengelernt haben wir uns 2007 in Berlin. Ich war damals für ein paar Wochen in der Hauptstadt, um ein Praktikum bei der linken Zeitung taz zu machen und hatte mich schon damit abgefunden, den Feierabend mit Telefonieren und Fernsehen zu verbringen. Doch dann kam meine Mitbewohnerin Kristin ins Wohnzimmer und entschied, mich einfach auf eine Party mitzunehmen.
Es war eine Feier der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Förderwerk der CDU, was zur Folge hatte, dass es subventionierten Alkohol gab, was wiederum zur Folge hatte, dass die Stimmung ziemlich schnell auf Hochtouren lief. Obwohl ich damals dachte, dass ich mit jungen CDU-Anhängern nicht viel würde anfangen können, muss ich zugeben, dass es eine ziemlich gute Party war. Die Musik war laut, die Cocktails lecker und nach den ersten Songs war es mir auch egal, dass die Tanzfläche mit gestriegelten Hemdträgern gefüllt war, die wahlweise einen Bundeswehrhaarschnitt trugen oder einen gegelten Helm wie zu Guttenberg â den damals natürlich noch niemand kannte. Umso besser gefiel mir daher der Typ, den mir Kristin vorstellte: Ein groÃer dunkelhaariger Mann in Pulli und Jeans, ohne hochstehenden Hemdkragen, ohne Gel in den Haaren und ohne besondere Sympathien für konservative Politik. Kristin hatte ihn genau wie mich auf die Party geschmuggelt. Wie ich erfuhr, kannten die beiden sich aus Kopenhagen, dort war Kristin als Austauschstudentin an der Uni gewesen. Jetzt war er für ein Wochenende mit einem Freund in Berlin, um sich die Stadt anzusehen, um zu feiern und Kristin wieder zu treffen. Die hatte ihm eingeschärft zu sagen, dass er von der dänischen konservativen Partei sei, wenn er gefragt würde, was er auf der Party mache. Es handelte sich schlieÃlich um eine geschlossene Veranstaltung. Mir hatte sie gesagt, ich sollte zumindest mein Praktikum bei der taz verschweigen.
Wir tanzten und tranken und lachten, und dann kam es zu dieser Verkettung glücklicher Umstände: Hätte Morten nicht in einem Heer aus konservativem Nachwuchs gestanden, was seine Attraktivität definitiv noch einmal erhöhte, hätte der DJ nicht zu später Stunde die Kuschelrock-CD gezückt, hätte der Alkohol nicht alles mit rosaroter Tunke übergossen, vielleicht wäre ich dann viel früher nach Hause gegangen. Ziemlich sicher aber hätte ich nicht in einem Anfall von Ãbermut diesen groÃen dunkelhaarigen Pulliträger geküsst, mit dem ich vorher kaum gesprochen hatte, und mich mit ihm für den nächsten Morgen zum Katerfrühstück verabredet.
So fing das also an mit Morten und mir. Ich glaube, es dauerte gerade mal zwei Monate, da saà er schon zum ersten Mal bei meinen Eltern auf dem Sofa, und wir fanden es süÃ, wie mein Vater immer mal wieder ein englisches Wort in seine Sätze einstreute, quasi um Morten sprachlich entgegenzukommen. Dabei spricht Morten ziemlich gut deutsch.
Das war vor drei Jahren. Seitdem haben wir nicht nur Höhen erlebt. Einmal haben wir uns sogar für elf Stunden getrennt. Aber dazu später mehr.
Gerade stecke ich also mal wieder in einem Tief. Ein Tief, das so schwarz und hoffnungslos erscheint, dass ich am Küchentisch sitze und heule. Mein E-Mail-Programm verschafft sich mit einem Klingeln Gehör. Eine neue Nachricht. Vielleicht hat ja doch noch jemand Zeit, etwas mit mir zu unternehmen? Tatsächlich: Lorenza, eine Schweizerin aus dem Dänischkurs, hat geschrieben. »Hi Nicole!«, schreibt sie. »Gute Initiative, aber ich habe Besuch. Vielleicht ein anderes Mal. GrüÃe, Lorenza.« Kurze Zeit später trudelt noch eine Mail ein, von Loy aus Nigeria. »Hi Nicole. Sorry, I am busy. But have fun! Loy«
Frustriert greife ich nach einer DVD und schiebe sie in den Computer. Pretty Woman. Den Film kenne ich längst auswendig. Da klingelt
Weitere Kostenlose Bücher