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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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nebenan doch auch ganz süß sind.
    Ohne einen gewaltigen Anfall von irrationalem Verliebtheitsverhalten, da bin ich mir sicher, wären auch Morten und ich heute wahrscheinlich nicht zusammen. Denn das Tempo, das wir anfangs vorlegten, funktioniert nur mit Hormondoping: Der Tag, an dem wir uns in der Berliner Disco völlig unverbindlich knutschend in den Armen lagen, war der 3. November 2007. Schon im Januar sprachen wir übers Zusammenziehen. Allein der angespannte Hamburger Wohnungsmarkt hielt ihn davon ab, schon im Januar seinen Job zu kündigen, seine Wohnung zu verkaufen und nach Deutschland überzusiedeln.
    Bevor ich vor einem halben Jahr nach Kopenhagen zog, war es nämlich Morten, der sein Land verließ, um mit mir zusammen zu sein. Als wir uns kennenlernten, war ich 27 und erkannte mich selbst nicht wieder. Bis dahin hatte ich es nämlich immer strikt abgelehnt, meine heißgeliebte WG für einen Mann aufzugeben. Ich stellte mir das unglaublich öde vor: keine WG-Partys, kein Rumlungern am Frühstückstisch, keine Küchenabende mit zu viel Rotwein. Bei diesem Dänen aber war alles anders. Plötzlich fand ich die Sache mit der gemeinsamen Wohnung eine richtig gute Idee. Ich weiß noch, wie wir damals – als wir endlich eine bezahlbare Bleibe gefunden hatten – seine Klamotten in einen Bulli packten, in Richtung Deutschland fuhren und im Auto wild und lauthals zu schlechten englischen Schlagern sangen. Wir waren total euphorisch, verliebt, glücklich – und naiv.
    Rückblickend würde ich sagen, dass Mortens und mein Glück in Hamburg drei Wochen anhielt – wenn man optimistisch ist. Dann nämlich hatte er sich in der Stadt alles angeschaut, was man anschauen kann. Er hatte die Möbel aufgebaut, die Lampen aufgehängt, die Waschmaschine angeschlossen, und die große Langeweile begann. Am Anfang stritten wir uns noch nicht einmal, wir waren einfach nur unglücklich. Morten schrieb damals an seiner Masterarbeit. Er saß den ganzen Tag zu Hause, vermisste seine Freunde. Zwar sprach er ziemlich gut Deutsch, aber neue Leute kennenzulernen, das war trotzdem schwierig. Und ich war den ganzen Tag bei der Arbeit. Zumindest körperlich. In Gedanken war ich nämlich ständig bei ihm und fragte mich, was er jetzt wohl gerade machte, ob er etwas zu tun hatte, ob er sich langweilte. Abends fühlte ich mich wie eine Mutter, die ihr Kind von der Kita abholen muss. Während die Kollegen noch quatschten, sprang ich so schnell wie möglich auf mein Fahrrad und fuhr nach Hause, damit Morten nicht länger alleine war. Ich fühlte mich für das Glück meines Freundes verantwortlich und vergaß dabei fast, dass ich selbst ja auch glücklich sein sollte.
    Als Morten mit seiner Masterarbeit fertig war, suchte er in Deutschland einen Job. Und ich war erstaunt, wie unflexibel deutsche Arbeitgeber sind, wenn es darum geht, Ausländer einzustellen. Morten hat IT-Business studiert, eine Art Wirtschaftsinformatik. Er hat in Australien und Singapur gelebt, spricht Dänisch und fast muttersprachlich Englisch, dazu brauchbares Norwegisch, Schwedisch und Deutsch. Man könnte meinen, dass er damit auf dem deutschen Arbeitsmarkt ganz gute Chancen haben müsste. Bei vielen Unternehmen stellte sich aber gleich zu Beginn heraus, dass sie überhaupt nicht auf Ausländer vorbereitet waren. Schon beim Online-Bewerbungsverfahren konnte man nur deutsche Noten angeben, was Schule und Universität betraf. Dabei wird außer in Deutschland nirgendwo auf der Welt von eins bis sechs bewertet.
    Hinzu kam noch, dass die Wirtschaftskrise gerade ihren Höhepunkt erreicht hatte; kaum jemand stellte ein, und wenn doch, standen die Bewerber Schlange. Es gab so viele deutsche Bewerber, dass Morten kaum eine Chance hatte. Mein Freund wurde immer unglücklicher. Und irgendwann konnte er nicht mehr unterscheiden, ob das nun an seiner Situation in Deutschland lag oder daran, dass er mich vielleicht doch nicht so liebte, wie er dachte. Damals trennten wir uns – für ganze elf Stunden. Dabei gab es zwischen uns eigentlich gar keine Probleme. Morten in Deutschland, das war das Problem. Wir heulten ziemlich viel an diesem Tag. »Du musst dich jetzt in Dänemark bewerben«, sagte ich am Ende zu ihm, auch wenn klar war, dass das erst einmal eine Fernbeziehung bedeuten würde, dass ich wieder in eine WG ziehen müsste. Und dass dann irgendwann ich

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