Tapas zum Abendbrot
auÃerhalb des Unterrichts zwar noch nie etwas zusammen gemacht, aber eventuell gibt es ja jemanden, der genauso alleine ist wie ich. Ich setze mich an meinen Schreibtisch und öffne eine leere E-Mail. »Hallo zusammen«, tippe ich. »Hat jemand von euch Lust, heute Abend in die Strandbar zu gehen? Würde mich freuen! Nicole«
Dass ich in Kopenhagen mal so deprimiert in der Ecke sitzen würde, hätte ich nicht gedacht, als ich vor einem halben Jahr in Hamburg auf einem Berg Umzugskisten saÃ. Aufgetürmt standen die Kartons in meinem WG-Zimmer, fein säuberlich beschriftet: Küche, Bad, Arbeit. Auf manche war auch ein Totenkopf gemalt, das waren die Sachen, die kein Mensch braucht, die ich aber trotzdem nicht wegwerfen konnte. Immerhin hatte ich mein Sofa, mein Bett und den Kühlschrank auf E-Bay verkauft und tapfer drei volle Tüten Klamotten in die Kleidersammlung gegeben. Mein Leben war damals 29 Jahre alt, und es passte in 23 Umzugskartons.
Ich fand es toll, dass meine Sachen immer noch locker in einem Sprinter Platz hatten, das gab mir ein Gefühl von Freiheit, von Ungebundenheit. Nur eines konnte ich nicht einfach in eine Kiste packen und mitnehmen: meine Freunde, meine Mitbewohnerin, meine Arbeitskollegen. Die blieben zurück.
Damals habe ich gar nicht so viel darüber nachgedacht â obwohl mir schon klar war, dass es nicht immer leicht sein würde. Ich hatte durchaus erwartet, dass einsame Momente kommen würden, in denen ich gerne einfach mal deutsch sprechen oder mit der Freundin einen Kaffee trinken wollen würde. Aber insgesamt war ich viel zu euphorisch, um mir groà Sorgen zu machen; ich freute mich auf eine neue Stadt, ein neues Land, eine neue Sprache â und darauf, endlich mit meinem Freund zusammenzuleben. Ich war ganz heià darauf, meine Kisten in den Transporter zu packen, hinters Lenkrad zu steigen, auf die Autobahn zu fahren und dann auf die Fähre. Ab in ein neues Leben. »Farvel Hamburg! Kopenhagen, jeg kommer!«
Für mich war die Entscheidung, nach Kopenhagen zu gehen, eine ganz natürliche. Es gibt schlieÃlich Leute, die für einen dusseligen Job nach Sibirien ziehen oder weit weg von der Familie leben, nur weil man in dem Land weniger Steuern bezahlt. Warum sollte man dann nicht seine Möbel in einen Transporter packen und zu dem fahren, den man liebt?
Ein Teil meines Umfelds sah das anders. Als ich meinen Job kündigte, schwankten die Kollegen zwischen Bewunderung und Unverständnis. Denn schlieÃlich war klar, dass ich als deutschsprachige Journalistin in Dänemark keine feste Stelle finden könnte. Die einen fanden es mutig, etwas Neues auszuprobieren und selbstständig zu arbeiten. Die anderen hielten es für einigermaÃen übergeschnappt, dass ich meine Redakteursstelle bei einer renommierten Tageszeitung kündigte. »Fester Job, festes Gehalt im Journalismus«, sagten sie, »das gibt man doch nicht auf!«
Ich fand das Risiko hingegen kalkulierbar. SchlieÃlich zog ich nur nach Dänemark, gerade mal 300 Kilometer Luftlinie nach Nordosten und nicht nach Kambodscha oder Peking. So anders würde das Leben dort schon nicht sein â und die Sprache konnte man schlieÃlich lernen, neue Freunde konnte man finden. Ich hatte beruflich einen Plan, schon mehrere Magazine und Zeitungen, die mir meine Texte abkaufen wollten. Und ich war in Kopenhagen ja nicht alleine. Ich hatte Morten.
Eigentlich hatte ich nicht erwartet, dass ich für einen Mann mal mein Leben umkrempeln würde. Das lag wohl vor allem daran, dass ich lange Zeit in Liebesangelegenheiten nicht unbedingt ein glückliches Händchen hatte. Entweder war ich Single oder ich war in einer Beziehung zu einem Mann, der nicht zu mir passte. Oder ich war unglücklich verliebt in jemanden, der seine Traumfrau längst gefunden hatte â diese Variante gab es auch noch. Meine Freundin fasste die Gesamtsituation meines Liebeslebens einmal treffend zusammen: »Liebes, das ist ganz einfach: Amor mobbt dich!«
Mit Morten war das ganz anders. Bei ihm war ich mir einfach sehr schnell sehr sicher. Er war der erste Mann, bei dem ich mir vorstellen konnte, dass das, was ich so in Zukunft vorhatte, mit ihm gemeinsam funktionieren könnte.
Er war groÃ, hatte dunkle Haare und einen tollen schwarzen Humor. AuÃerdem mochte ich seine Einstellung gegenüber Frauen. Er war in Dänemark aufgewachsen, einem Land, in
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