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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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nickt, keine deutliche Begeisterung zeigt, wie man es in Bolivien wohl täte, ist sie unsicher: Vielleicht ist es nur ein Höflichkeits-Ja? Woher soll sie wissen, ob Adrian den Vorschlag wirklich mag?
    Warum aber gewöhnt sich Isabel nicht einfach an das deutsche Verhalten? Warum übernimmt sie es nicht, warum passt sie sich nicht besser an? Schließlich würde ihr das sicher mehr Erfolg einbringen.
    Die Antwort ist einfach: Weil es nun mal verdammt schwerfällt, sich derart zu verbiegen. Das merkt auch Adrian immer wieder. Manchmal nämlich, wenn er weg muss, hängt sich seine Frau an seinen Arm, bittet und bettelt: »Ach Liebling, geh noch nicht, bleib noch ein bisschen bei mir!« In Bolivien ist das ein ganz normales Spiel, ein Ausdruck von Liebe und Zuneigung. Und Adrian ahnt: Bolivianische Männer würden nun sagen: »Ach, mein Herz, ich bleib doch nicht lange weg, in zehn Minütchen bin ich wieder da!« Nur um dann für zwei Stunden zu verschwinden. Schließlich ist es akzeptiertes soziales Verhalten, hinterher wortreich zu erklären: »Ach, ich hab noch den und den getroffen, musste noch das und das erledigen …« In Bolivien ist alles flexibel, ist das einmal Gesagte nicht unumstößlich. Adrian aber findet: Von zehn Minuten zu reden und dann viel länger wegzubleiben, das ist Lügen. Er kann nicht etwas behaupten und sich dann ganz anders verhalten.
    Deshalb stößt er Isabel manchmal richtiggehend von sich, wenn sie wieder einmal so anhänglich wird und alle Erklärungen nichts nützen. Schließlich will er nicht zu spät zum Seminar oder zu einem Termin erscheinen – und das Wegstoßen erscheint ihm als letzter Ausweg. Natürlich reagiert sie daraufhin verletzt. Sicher, mit der bolivianischen Art hätte Adrian das vermeiden können. Aber er ist zu sehr Deutscher, um in solchen Situationen den Bolivianer spielen zu können.
    Einmal hat Isabel dieses kalte Deutschland und das Heimweh einfach nicht mehr ausgehalten. Da war ihre Tochter gerade erst geboren. Sie nahm Mari-Luz und flog nach Bolivien – ohne Rückflugticket. Weil Adrian bei ihr und seinem Kind sein wollte, organisierte er sich wieder einmal einen Auslandsaufenthalt, diesmal ein Praktikum in La Paz.
    Gemeinsam wohnten sie während dieser Zeit bei Isabels Eltern. Auch das war nicht gerade einfach. Denn nun war es Adrian, der vom bolivianischen Alltag manchmal genervt war. Wenn etwa die Mutter stundenlang mit am Tisch saß und sich ohne Punkt und Komma unterhalten wollte, oder wenn völlig selbstverständlich beim Abendessen der Fernseher lief und alle Neuigkeiten wortreich kommentiert wurden. Was für Isabels Seele Balsam war, löste bei Adrian Fluchtreflexe aus. Immerhin lernten Isabels Eltern in dieser Zeit, dass sie Adrian morgens manchmal einfach in Ruhe lassen mussten. Dass er nicht etwa sauer war, sondern einfach nur etwas einsilbig, ein Morgenmuffel.
    Isabel und Adrian machten in dieser Zeit auch eine Paartherapie. An deren Ende beschlossen sie: Wir gehören zusammen, nicht zu unseren Eltern.
    Nach einem Jahr in der Heimat ist Isabel nun mit Mari-Luz und ihrem Mann nach Leipzig zurückgekehrt. »Weil ich Adrian liebe«, sagt sie, wenn man sie nach den Gründen fragt. Und weil sie weiß: In Bolivien wird Adrian keinen gut bezahlten Job finden. Also muss sie durchhalten. Immerhin besucht sie mittlerweile einen Deutschkurs, kommt nun viel besser klar, wenn sie einkaufen geht oder auf Adrians Freunde trifft. Später möchte sie einen Master machen, und wenn Adrian mit seinem Studium fertig ist, so überlegen die beiden, könnten sie es ja irgendwo anders in Europa versuchen. Spanien vielleicht, oder Frankreich.
    Isabel und Adrian haben in den vergangenen Jahren einiges dazugelernt. Adrian etwa würde heute bei Streitig keiten nicht mehr den Satz fallen lassen: »Immerhin bezahle ich hier alles!« Tatsächlich haben sie mittlerweile getrennte Konten eingerichtet. Sie leben von Adrians BAföG, bekommen außerdem Kinder- und Wohngeld. Adrian überweist Isabel jetzt monatlich 350 Euro, die sie zur freien Verfügung hat. Ohne das eigene Konto würde sich Isabel noch abhängiger fühlen, als sie das sowieso schon tut. Außerdem würden sie sich sonst sicher wieder darüber streiten, ob Isabels Einkäufe im Ein-Euro-Shop nun sinnvoll sind, oder warum Adrian denn unbedingt die teure Bio-Marmelade kaufen

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