Tapas zum Abendbrot
musste.
Geld ist oft ein Thema in internationalen Beziehungen. In vielen Ländern ist es etwa üblich, für die Verwandtschaft zu sorgen, wenn man finanziell gerade besser dasteht â und so können es plötzlich auch entfernte Cousins sein, die per Ãberweisung mit durchgefüttert werden. In anderen Ländern gilt es als selbstverständlich, dass die Frau niemals zahlt, sondern vom Mann eingeladen wird. An die finanzielle Aufteilung sind so auch immer Geschlechterrollen geknüpft. Nicole geht es im sehr egalitären Dänemark sogar schon etwas auf die Nerven, dass ihr Freund immer alles genau trennen will. Die beiden haben neben ihren normalen Konten auch ein gemeinsames und jeder eine EC-Karte, mit der sie Einkäufe bezahlen. Und einmal stand er doch tatsächlich an der Supermarktkasse und sortierte ein paar Müsliriegel und Bonbons aus, weil sie die mit ins Büro nehmen wollte! »Ich bezahle mein Essen im Büro ja auch selbst«, sagte er und fühlte sich vollkommen im Recht. Nicole hingegen fand, dass man doch als Paar nicht ständig alles gegeneinander aufrechnen muss. SchlieÃlich ist man ein Team, Gleichberechtigung hin oder her!
Auch Isabel war anfangs in Deutschland sehr verwundert. »Adrian wollte immer, dass alles ausgeglichen ist. Er hat gesagt: Heute zahle ich, und nächstes Mal zahlst du.« Mittlerweile ist er da lockerer geworden. Auch mit dem unterschiedlichen Zeitverständnis haben Adrian und Isabel besser umzugehen gelernt. Neulich etwa waren sie zu einer Hochzeit eingeladen, bei der er unbedingt pünktlich sein wollte. SchlieÃlich fangen deutsche Hochzeiten auch zu der Uhrzeit an, zu der sie angekündigt wurden. Weil ihm klar war, dass Isabel so etwas zwar wusste, im Umgang mit der Zeit aber trotzdem noch immer recht, sagen wir, liberal war, stellte er alle Uhren im Haus kurzum zehn Minuten vor. Sie kamen dann auch tatsächlich pünktlich an Ort und Stelle an. Ohne, dass Isabel den Trick bemerkte.
Vor allem haben die beiden aber gelernt, Konflikte anders anzugehen. »Mittlerweile gehen wir uns dann aus dem Weg, das ist einfacher und besser für uns«, sagt Adrian. Kommt Streit auf, so wird der nicht jedes Mal wie früher hart und heftig ausgefochten. »Manchmal gehe ich dann einfach was lernen, bleibe in meinem Zimmer oder schlafe auch mal im Wohnzimmer«, sagt Adrian. »Dann reden wir später darüber. Am Anfang konnte Isabel das gar nicht aushalten, sie wollte immer sofort über alles sprechen. Aber nach einer Weile Ruhenlassen ist ja alles schon halb so schlimm. Heute lassen wir es weniger eskalieren, schaukeln uns nicht mehr so hoch.«
Paare wie Isabel und Adrian müssen vor allem eines lernen: Dinge früh anzusprechen und auszuhandeln â sonst tauchen sie wie in einer Endlosschleife immer wieder auf. Natürlich gibt es auch Themen, die kann man nicht klären. Aber man kann wissen, dass es da Empfindlichkeiten gibt. Und über die lernt man am meisten, wenn man sich im Land des Partners umschaut. Wie sind dort die Rollenverteilungen? Wie ist der Tagesablauf? Was sind ungeschriebene Regeln? Nur so erfährt man, wie der andere aufgewachsen ist, was er für normal und alltäglich hält. Das beginnt bei Kleinigkeiten: Wenn der andere von einem Familienfest redet, wie viele Menschen hat er dann vor Augen? Welche Vorstellungen hat er, wenn er von Hygiene spricht? Wie drückt man in seiner Familie Kritik aus? Das Land des anderen kennenzulernen, gehört deshalb quasi zum Pflichtprogramm für jeden in einer internationalen Beziehung.
Ich selbst habe in Spanien eine Antwort auf die Frage gefunden: Wenn Roberto von Uhrzeit redet, von welcher Uhrzeit redet er dann wirklich? Denn in seinem Heimatland steht das Essen niemals um halb zehn auf dem Tisch, wenn auf halb zehn eingeladen wurde. Erst einmal werden dort ein paar Tapas gereicht, ein paar Oliven, ein bisschen Schinken â und dann geht es irgendwann mit dem Essen los. Immer mit der Ruhe!
Ich versuche deshalb gerade, es mir abzugewöhnen, um neun Uhr nervös auf die Uhrzeit zu verweisen, wenn wir selbst Gäste eingeladen und gerade mal mit dem Kochen angefangen haben. Dann kommen sie eben, trinken noch einen Wein oder ein Bier bei uns in der Küche â und wir kochen in aller Ruhe fertig!
Angewöhnt habe ich es mir dagegen, innerlich Ãbersetzungen anzustellen. Sagt Roberto: »Ich brauche noch eine Minute!«,
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