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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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ausprobieren, ob das mit ihnen wirklich etwas Ernstes war. In Spanien hielt man sich deutlich weniger zurück: Das Ganze beunruhige sie wirklich sehr, sagte meine zukünftige Schwiegermutter besorgt, wenn das in die Brüche gehe, dann wirke sich das auf die ganze Familie aus! Vielleicht sollte der Vater besser das Gespräch mit der Tochter suchen und ihr das Ganze ausreden. Denn was, wenn es wegen der beiden Streit in der Familie gebe? So wurde kommentiert, bewertet und: sich eingemischt. Jedenfalls sah ich das so. Roberto aber lachte nur und sagte: »Sie zeigen eben, dass sie sich um euch sorgen, sie zeigen Interesse an eurem Leben – das ist doch etwas Gutes! Wenn wir heiraten, dann gehört ihr nun mal alle zur Familie.«
    Als mein Bruder und seine Freundin einige Monate später beschlossen, für ein Jahr nach Neuseeland zu gehen – immer noch schwer verliebt, immer noch ein Paar –, da ließ die spanische Meinung ebenfalls nicht lange auf sich warten. Der Junge solle sich lieber klar werden, was er im Leben machen wolle, und seine Freundin sollte besser gleich ihr Studium beginnen, befand Robertos Stiefvater Juan. Es wäre wohl das Beste, wenn der Vater des Mädchens das Gespräch mit den beiden suchen und ihnen das Ganze ausreden würde. Meine Schwiegermutter hielt diesmal allerdings dagegen: Die beiden sollten ihr Leben genießen, sagte sie, arbeiten könnten sie noch lange genug. So wurde die Entscheidung meines Bruders im 2000 Kilometer entfernten Barcelona wieder einmal lang und breit diskutiert. Und ich konnte nur noch eines tun: kräftig den Kopf schütteln. Meine Mutter hat jedenfalls noch nie kommentiert, was Robertos Bruder in Barcelona so treibt.
    Aber wie habe ich nicht gleich im ersten Semester meines Studiums gelernt? »Alles ist Kultur.« Denn jedes Handeln ist von unserer Herkunft geprägt, von dem, wie wir aufgewachsen sind, was um uns herum als normal gilt. Dass Roberto vor 20 Uhr unmöglich etwas herunterbekommen kann – angewöhnt in 30 Jahren späten Essens. Dass er immer zu allem eine klare Meinung hat – täglich trainiert durch das Kommentieren der Nachrichten während des Abendessens. Dass er einem Freund eine Bitte nicht abschlägt, obwohl er sie gern abschlagen würde – erlernte Höflichkeit: Der Freund müsste selbst merken, dass seine Bitte unangebracht ist, und wenn er das nicht tut, kommt man der Bitte nach. Und dass Roberto bei jedem Schnitt in den Finger wie ein Wolf aufheult und ein Riesen-Trara um die Versorgung der ach so tiefen Wunde macht – gängiges Verhalten in seinem Heimatland.
    Anfangs war ich schnell mit Wertungen bei der Hand: Mein Gott, kannst du dem Freund nicht klar sagen, was du denkst? Musst du so ein Brimborium wegen einer kleinen Schnittverletzung machen? Und ist es denn wirklich so schwer, einmal vor acht Uhr zu essen?
    Mittlerweile schaffe ich es immer öfter, über solche Dinge zu lächeln. Na gut, über manches spotte ich dann auch gern mal ein bisschen – besonders über Robertos Wehleidigkeit. Ändern können werde ich das alles aber wohl nie. Dafür ist es viel zu tief in meinem Freund verwurzelt. In seiner Kultur geht man mit Wunden und Krankheiten nun mal expressiver um. Wie also kann ich ihm das ernsthaft ankreiden? (Unvergessen bleibt für mich übrigens, wie ich einmal, als ich mich am Zehennagel verletzt hatte, nur mit angespanntem Gesicht die Luft zwischen den Zähnen einzog und Roberto daraufhin verwundert sagte: »Du schreist ja gar nicht!«)
    Â»Die Deutschen sind wie Möbel bei Ikea«
    Bei Isabel aus Bolivien geht es aber nicht nur um einen verletzten Finger oder die Essenszeit. Es geht ums Existenzielle: Sie findet in Deutschland keine Freunde, ist gekränkt, wenn Adrian mit seinen Kumpels allein sein will, fühlt sich von seiner Familie lieblos behandelt. In diesem Land regiert der Abstand – so kommt es Isabel vor. Das zeige sich schon in den Gesichtern der Menschen. »Die Leute drücken keine Gefühle aus«, sagt Isabel. »Die Gesichtsausdrücke sind wie Möbel bei IKEA: Alles sieht gleich aus, hat die gleiche Größe.« Ein Deutscher ist damit aufgewachsen, differenzierte Ausdrücke lesen zu können – sie aber kann das nicht. Wenn sie Adrian fragt: »Gefällt dir das?«, dann zuckt er manchmal nur mit den Schultern und sagt: »Jaja.« Aber weil er dabei nicht heftig

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