Tapas zum Abendbrot
das gewohnt â und das führt ganz sicher dazu, dass sie später zu offeneren Menschen heranwachsen.
Eines sollte man bei allen Unterschieden und Konflikten aber nicht vergessen: So etwas gibt es in jeder Beziehung. Ein Münchner und eine Schleswig-Holsteinerin vom Lande werden schlieÃlich auch so ihre Themen haben. Der Vorteil internationaler Paare ist: Wenn man von vornherein erwartet, dass der andere anders tickt, weià man auch, dass die Ticks ausgesprochen werden müssen. »Das Bewusstsein ist bei solchen Paaren manchmal höher«, sagt auch Elisabeth Reif, Mediatorin und Wissenschaftlerin aus Ãsterreich. Sie vermittelt regelmäÃig zwischen Partnern aus verschiedenen Ländern, der islamische Kulturraum ist ihr Spezialgebiet. Sie sagt: Kultur und Persönlichkeit, das ist manchmal schwer zu trennen. Liegt es wirklich an seiner spanischen Herkunft, dass Roberto Freunden nicht gern Bitten abschlägt, selbst wenn er sie gern abschlagen würde? Oder liegt das nicht viel mehr an seiner Persönlichkeit? »Man kann das schwer auseinanderdividieren«, sagt Elisabeth Reif. »Die regionale und kulturelle Herkunft beeinflussen die Persönlichkeit ja sehr stark. Es lohnt sich aber, auf kulturelle Hintergründe zu schauen, wenn man herausfinden will: Wo kommt ein Konflikt her? Einfach, um den anderen besser zu verstehen.« Manchmal, so die Expertin, tauchten wichtige Themen erst nach Jahren auf. »Da wundere ich mich dann, weil teilweise so wenig Toleranz vorhanden ist.«
Schwierig wird es auch, wenn man Konflikte grundsätzlich anders angeht. Wenn etwa der eine aus einem Kulturraum stammt, in dem das Ãber-sich-Reden nicht alltäglich ist, in dem man nicht lernt, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und zu äuÃern, in dem Konflikte lieber totgeschwiegen werden. In dem es vielleicht sogar als Schande gilt, Probleme einzugestehen. Dann kann auch Mediation nicht mehr viel richten. »Die Mediation ist ja ein westliches Konzept, das funktioniert nicht immer«, sagt Elisabeth Reif.
Gesprächsbereite aber können von einer Mediatorin eine Menge lernen â und das gilt für alle Paare in einer Konfliktsituation, nicht nur für internationale. Mediation funktioniert nämlich so: Man lässt die Wertungen, das »Wie kannst du nur?« und »Wer macht denn so was?« hinter sich und drückt dafür die Gefühle aus, die man in diesem Konflikt spürt. Wenn das beispielsweise die Angst ist, nicht mehr so sehr geliebt zu werden, dann kann der andere das oft viel besser annehmen und darauf eingehen. »Man versucht dann herauszufinden: Welche Bedürfnisse sind mit diesen Gefühlen verbunden? Was wünscht sich der andere?«, sagt Elisabeth Reif. Manches lässt sich eben nicht ausdiskutieren, verstehen, nachvollziehen. Bei manchen Themen kann man nur respektieren: Der andere fühlt das eben so.
Wenn man Daniel Schulz fragt, dann gibt es aber auch Dinge, die man nicht einfach so stehen lassen kann. Daniel ist ein Mensch, der wichtige Unterlagen alphabetisch geordnet aufbewahrt, sich auch im Privatleben To-do-Listen schreibt und sein Wochenende gern im Vorhinein plant. Als Maschinenbauer berechnet er alles auf den Millimeter genau. Und dann steht da seine chinesische Frau vor ihm und sagt, dass sie jetzt einen Monat lang nicht duschen dürfe. Die Tradition wolle es so. Als er fragt, warum das so sei, antwortet sie, das sei eben ungesund. Eine chinesische Regel besage, dass man sich vier Wochen nach der Geburt eines Kindes nicht waschen solle, und sie werde sich daran halten.
Daniel findet, diese Tradition ist vor allem eins: Aberglaube. Zum Glück gibt es die Hebamme. Die stammt aus Taiwan, sie kennt die chinesische Kultur bestens. »Das ist eine hundert Jahre alte Tradition«, erklärt sie den frischgebackenen Eltern. »Damals gab es noch kein Warmwasser â die Leute mussten sich eiskalt waschen. Das war für junge Mütter nicht gut. Aber heute ist diese Regel absoluter Quatsch.«
Es ist nicht die erste Merkwürdigkeit, mit der Daniel sich auseinandersetzen muss. Aber das Schöne an ihm und seiner Frau Lingling: Sie können entspannt darüber lachen. Auch darüber etwa, dass Lingling am liebsten die Haare ihres kleinen Sohnes abrasieren würde. In China macht man das so. Es rege den Haarwuchs an, heiÃt es. »Und guck doch mal«, sagt Lingling und deutet auf den sieben Monate alten Lukas,
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