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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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allem durch Pflichten gegenüber Kindern und Großeltern, kaum durch Liebe.«
    Kein Wunder also, dass Deutsche und Chinesen manchmal mit völlig unterschiedlichen Erwartungen an eine Partnerschaft herangehen. Dabei darf man nicht vergessen: Dass sich in einer Ehe alles auf die Liebe zwischen zwei Menschen konzentriert, ist auch in Deutschland noch nicht lange selbstverständlich.
    Da Daniel und seine Frau seit vier Jahren wieder in Deutschland leben, hält sich der elterliche Einfluss bei ihnen mittlerweile in Grenzen. Die vielen guten Ratschläge, die von China aus kommen, kann man Tausende Kilometer entfernt getrost mit einem Schmunzeln quittieren. Etwa der, dass man den kleinen Lukas doch zu den Großeltern nach China schicken solle, damit Lingling wieder arbeiten gehen könne. »Das machen in China viele Frauen, und sogar manche, die im Ausland leben«, sagt Lingling. Die chinesische Oma würde das Kind sicherlich auch häufig auf dem Rücken liegen lassen – damit es einen platten Hinterkopf bekommt. Das gilt in China als schön.
    Bei solchen Dingen lässt Daniel nicht mit sich reden – er lehnt sie schlicht und einfach ab. Zum Glück ist Lingling oft gleicher Meinung. Im Fall einer chinesischen Freundin, die mit einem Deutschen verheiratet sei und das gemeinsame Kind nach alter Tradition aufziehen wolle, gebe es deutlich mehr Konflikte, erzählen die beiden.
    Alle internationalen Paare mit Kindern wissen: Wenn der Nachwuchs auf der Welt ist, geht es mit den unterschiedlichen Meinungen erst so richtig los. Plötzlich sind da jede Menge Fragen: Sollen Familie und Freunde nach der Geburt am Bett der Mutter wachen oder sollte sie besser allein sein? Soll das Kind bald allein schlafen oder lange bei den Eltern, bei offenem oder geschlossenem Fens ter? Sollen wir bei jeder Temperaturerhöhung sofort zum Arzt gehen oder erst einmal Hausmittel anwenden? Lassen wir unser Kind selbstständig laufen und auch mal hinfallen oder haben wir es immer im Auge und schützen es vor jedem Hindernis? Gehört es zu einer normalen Kindheit dazu, auch mal im Dreck zu spielen oder muss das unterbunden werden? Wie viel Mitspracherecht haben die Schwiegereltern und andere Familienangehörige? Kleiden wir das Kind stets adrett oder darf das dreckige T-Shirt auch mal eine Weile anbehalten werden? Soll es so lange wie möglich spielen oder schon vor Schulbeginn lesen lernen? Ist es eine Schande für die ganze Familie, wenn das Kind schlecht in der Schule ist? Ist Rebellion in der Jugend ein Ausdruck von Respektlosigkeit oder ein normales Zeichen des Unabhängigwerdens? Ist der Vater letztendlich der Entscheider oder gelten die Worte der Mutter genauso viel?
    Es gibt also eine Menge zu diskutieren und auszuhandeln. Dass man sich dabei nicht immer einig wird, muss nicht zwangsläufig schlecht sein: Eltern können dem Kind ja auch verschiedene Möglichkeiten vorleben. Dann sieht es: Mama macht es so, Papa aber anders. Der Soziologe Ulrich Beck hat dies als Aufwachsen in einer »Weltfamilie« bezeichnet. In seinem Buch Fernliebe schreibt er: »Weltfamilien erproben das, was in Feiertagsreden als Kompetenz des globalen Zeitalters gepriesen, in Praxisseminaren Soft Skills genannt und eingeübt wird. Weltfamilien leben teils freiwillig, teils gezwungenermaßen, was anderweitig in Lektionen vermittelt, gegen Bezahlung und Teilnehmerurkunde antrainiert wird. Weltfamilien sind Pioniere der Interkulturalität.« Zu wissen, dass es immer verschiedene Wege gibt, kann für Kinder dieser Familien also ein riesiger Gewinn sein.
    Für Daniel ist aber auch wichtig, sich nicht alles gefallen zu lassen, die fremde Kultur nicht mit übergroßem Respekt auf einen Sockel zu heben. Wenn man ihn im Land seiner Frau etwa fragt, wie viel er verdient, dann beantwortet er das nicht. »In China ist so eine Frage ganz normal, einfach Teil der Konversation«, sagt Lingling. Daniel entgegnet: »Ich finde diese Frage doof.« Auch, wenn man ihm pausenlos Schnaps anbietet, weil man austesten will, wie viel dieser Ausländer wohl verträgt, lehnt er manchmal ab. »Dann sage ich, ich vertrage das Zeug nicht, ich trinke nur Bier.« Wenn allerdings der Chef einer Kundenfirma als Dankeschön harte Getränke reicht, würde er auf keinen Fall ablehnen. »Sonst verliert der sein Gesicht, und das ist in China ganz schlimm.« Einmal wurde Daniel bei einer Hochzeit gleich

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