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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Studiengebühren erlassen wurden. Das ist der Stups, den Carl gebraucht hat. Seither geht Carl nicht mehr unter. Er geht zur Uni.
    Â»Ich habe dann in Südafrika Logistikmanagement studiert«, erzählt er und schiebt sich etwas von dem Studentenfutter in den Mund. »Als ich nach der Hochzeit hierhergekommen bin, da wollte ich natürlich unbedingt weiter zur Uni gehen, ich brauchte ja nur noch zwei Jahre bis zum Abschluss.« Doch seitdem Carl versucht, auch beruflich in Deutschland Fuß zu fassen, haben Annika und er nicht mehr nur eine Liste mit den unmöglichsten Personen, die sich ihnen in den Weg stellten. Sie haben nun auch eine Liste mit den blödsinnigsten Regelungen.
    E 301, ALG 1, SGB III – sonst noch Fragen?
    Dass die Prüfungen, die Carl an der Universität abgelegt hat, nicht alle in Deutschland anerkannt werden, damit hat er damals bereits gerechnet. »Aber dass hier in Baden-Württemberg noch nicht einmal sein Abitur gültig ist«, sagt Annika, »das haben wir nicht erwartet.«
    In Deutschland sind meistens die Bundesländer für die Anerkennung von Abschlüssen und Berufen zuständig. Das heißt: 16 Länder, 16 verschiedene Regelungen, mindestens hundert zuständige Stellen. In Baden-Württemberg etwa ist für die Anerkennung schulischer Abschlüsse das Regierungspräsidium Stuttgart verantwortlich, für Industrieberufe die Industrie- und Handelskammer, für Hochschulabschlüsse das Wissenschaftsministerium. Zwar wurde 2011 ein »Anerkennungsgesetz« verabschiedet, aber die Zuständigkeit der Länder wird bei vielen Berufen bleiben, etwa bei Lehrern oder Ingenieuren.
    Naturgemäß ist die Anerkennung von Ausbildungen eine schwierige Sache. Niemand möchte schließlich von einem Arzt operiert werden, der sein Handwerk in einem Schmalspurstudium mit veralteten Geräten gelernt hat. Oder in seinem Haus Leitungen von einem Elektriker verlegen lassen, der die deutschen Sicherheitsstandards nicht kennt. Viele Einwanderer müssen daher auch nach der Gesetzesänderung zur Nachschulung, bevor sie in ihrem Beruf arbeiten dürfen. Aber wer kann es sich leisten, mehrere Monate oder Jahre noch einmal die Schulbank zu drücken, von den Kosten für den Kurs ganz abgesehen? Und gibt es überhaupt eine passende Schulung für jeden im Angebot? Muss nicht ein Physiotherapeut aus Spanien vielleicht andere Fächer nachholen als einer aus China? Immerhin haben nun alle Einwanderer einen Rechtsanspruch darauf, spätestens nach drei Monaten einen Bescheid zu bekommen, inwiefern ihre Ausbildung anerkannt wird – oder eben nicht.
    Annika und Carl hatten sich ziemlich schnell damit abgefunden, dass aus dem Traum vom Studium erst einmal nichts werden würde – und begannen die Arbeit an Plan B: Sie suchten einen Ausbildungsplatz für Carl, am besten in der Logistikbranche. Die Arbeitsagentur half ihnen dabei schon einmal nicht: Ausbildungsplatzförderung gibt es nur für Menschen bis 26, Carl aber ist 28 und musste selbst sehen, wie er weiterkam. Er ging zum Deutschkurs, arbeitete nebenher in einer Spülküche und schrieb Bewerbungen. 70 Stück.
    70-mal zogen Annika und er einen großen Umschlag aus ihrem Briefkasten. Immer wieder kamen die Bewerbungsunterlagen zurück, immer wieder eine Absage. »Wir dachten, dass er für eine Ausbildung überqualifiziert sei und bestimmt schnell etwas finden würde«, erzählt Annika. Sie steckte damals mitten in den letzten Prüfungen ihres Psychologiestudiums. Sie hatte eigentlich keine Kraft, sich auch noch um Carls Zukunft zu kümmern, und erst recht hatte sie keine Kraft, die ganzen Rückschläge wegzustecken. Sie war selbst jedes Mal enttäuscht, wenn eine Absage kam, aber das konnte sie Carl ja nicht zeigen, für ihn waren die Ablehnungen schließlich noch viel schlimmer.
    Im Mai 2011 entschlossen sich die beiden, eine letzte Bewerbungsaktion zu starten. Und tatsächlich bekamen sie plötzlich vier Briefe, die nicht groß waren, sondern klein: vier Einladungen zum Vorstellungsgespräch. Am Ende konnte sich Carl den Ausbildungsplatz aussuchen.
    Zum Glück – denn Annika und Carl wären nicht das erste Paar, das sich trennt, weil der ausländische Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird. Denn wenn einer von beiden hier nicht arbeiten kann, dann hat das nicht nur Auswirkungen auf die Finanzen. Dann bedeutet das

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