Tapas zum Abendbrot
Langeweile, Perspektivlosigkeit, Frust. Arbeit ist schlieÃlich der beste Weg, Anerkennung zu finden. Und Anerkennung in Deutschland ist das, was vielen fehlt.
Ich weià noch, wie deprimiert Morten damals war, als er in Hamburg einen Job suchte und eine Absage nach der anderen erhielt. Hinzu kam der Ãrger mit der Arbeitsagentur. Morten bekam nämlich dänisches Arbeitslosengeld â das aber durch die deutschen Behörden ausgezahlt werden sollte. Und es passierte, was passieren musste, wenn die Bürokratien von zwei Ländern aufeinandertreffen: nämlich nichts. Obwohl Morten alle Anträge eingereicht hatte, bekam er kein Geld â und auch keine Auskunft, warum dem so war. Manchmal saà ich dann neben ihm, wenn er wieder einmal mit der Arbeitsagentur, dem Einwohnermeldeamt oder dem »Team akademische Berufe« telefonierte. Ich hörte, wie die Menschen am anderen Ende der Leitung von »ALG 1« sprachen, wenn sie »Arbeitslosengeld« hätten sagen können. Sie sprachen von »Mehrfertigung«, wenn sie Kopien meinten. Morten wusste ja mittlerweile, was die Bescheinigung E 301 beinhaltete, und wofür man E 303 brauchte. Aber was zum Teufel war dieses »SGB III«?
Einmal, als ich merkte, dass das Gespräch nicht weiterging, gab ich ihm ein Zeichen, und er erklärte der Dame am Telefon, dass er den Hörer nun an seine Freundin weitergebe, der Verständigung wegen.
»Wie, Sie haben die ganze Zeit mitgehört?«, regte die Frau sich sofort auf. »Das ist verboten!«
»Verboten?«, fragte ich verblüfft. »Warum das denn?«
»Auf jeden Fall darf ich nicht mit Ihnen sprechen. Dazu haben Sie keine Vollmacht.«
»Aber mein Freund sitzt direkt neben mir, er kann mir doch die Vollmacht erteilen, mit Ihnen über seinen Fall zu sprechen. Er bekommt seit Monaten kein Geld, obwohl er darauf einen Anspruch hat. Wissen Sie, was das für ihn bedeutet? Er kann bald seine Miete nicht mehr bezahlen!«
»Das mag ja sein«, sagte die Dame, »aber besprechen kann ich das trotzdem nicht mit Ihnen.«
Natürlich sind nicht alle Beamten Monster. Natürlich machen sie einfach nur ihren Job, manche sind sogar toll und drücken auch mal ein Auge zu, wenn es Sinn hat. Aber dann gibt es eben leider auch die, denen es völlig egal zu sein scheint, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen haben. In Mortens Fall bedurfte es dreier Monate, unzähliger Behördenbesuche und eines letztendlich sehr emotionalen Briefs meinerseits an die Arbeitsagentur, bis die Behörden herausfanden, was schiefgelaufen war: Sie hatten die Dokumente an die falsche Behörde weitergeleitet. Morten bekam schlieÃlich sein Geld.
Braut ohne Bräutigam
Für Mona ist Geld nur der Anfang der Dinge, die ihr Sorgen machen. Sie sitzt daheim in Wismar und weià nicht so recht, wie sie sich fühlen soll. Sie ist schon glücklich, irgendwie, aber auch traurig. Vor allem aber fühlt sich Mona ziemlich allein.
Vor ihr liegen Fotos, zwei Wochen alt. Darauf ein ziemlich nervöser Mann mit Schnauzer, fröhliche dunkelhäutige Menschen und eine hübsche junge Frau im Brautkleid. Der Mann mit Schnauzer ist Monas Vater. Die Braut, das ist sie.
Mona ist 23 Jahre alt. Sie hätte nie gedacht, dass sie einmal so jung heiraten würde. Und vor allem nicht, dass sie nach der Hochzeit nicht wissen würde, wann sie ihren Ehemann das nächste Mal wiedersehen kann. Denn Khaled lebt knapp 3000 Kilometer weit von ihr entfernt in Ãgypten. Und die Ausländerbehörde hat gesagt, dass sie genug Geld verdienen müsse, um für sich und Khaled sorgen zu können. Erst dann dürfe er nach Deutschland ziehen. Doch wann wird das sein? In zwei Jahren? In fünf? In zehn? Mona steckt noch mitten im Studium.
Khaled war noch nie in Deutschland, nie in Monas Heimat. In Deutschland zu heiraten, das haben Mona und er gar nicht erst versucht. Es gibt keinen Rechtsanspruch auf ein EheschlieÃungsvisum. Ein Amerikaner, Australier oder Japaner könnte ein solches einfach beantragen und damit für drei Monate nach Deutschland reisen. Khaled aber hat kaum eine Chance. Junge Männer aus Ãgypten haben den Ruf, dass sie untertauchen, sobald man sie ins Land lässt. »Beweis mal das Gegenteil«, sagt Mona resigniert.
Sie blickt auf die Fotos vor sich, auf ihren Vater, der vor Aufregung ganz rot im Gesicht ist, auf Khaled, wie er sein breitestes und
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