Tapas zum Abendbrot
Polizei, um das Wiederfinden zu melden. In diesen zwei Tagen war Roberto knurrig ohne Ende. »Siehst du jetzt, dass du andere Menschen in deinen Schlamassel mit reinziehst?«, sagte er. »Siehst du, dass du anderen damit den Urlaub versauen kannst?«
Ich selbst war deutlich weniger aufgeregt. Im Laufe der Zeit habe ich mich an liegen gelassene Portemonnaies, Handys, Kleidungsstücke und sogar an vergessenes Reisegepäck gewöhnt. Klar nervt es auch mich, wenn ich mal wieder bei der Deutschen Bahn anrufen muss: »Haben Sie zufällig einen Koffer in der Farbe rot gefunden �« Aber wenn ich deshalb jedes Mal mehrere Tage toben würde, wäre ich vermutlich mein halbes Leben lang sauer. Das gäbe ziemlich hässliche Falten. Also seufze ich lieber nur einmal über mich selbst und versuche ansonsten, irgendwie aus dem Schlamassel herauszukommen.
Für Roberto aber hatte ich in diesen Urlaubstagen wohl eine Grenze überschritten. Deshalb die Ãbellaunigkeit in Santiago de Compostela, deshalb unser groÃer Streit zu FüÃen der Kathedrale.
Als Karolin zum ersten Mal so richtig mit ihrem Freund streitet, liegt das an ein paar Telefonaten. Karolin und Francesco führen eine Fernbeziehung, Mailand â Regensburg. Das bedeutet: Einen GroÃteil ihrer gemeinsamen Zeit verbringen sie am Telefon. Karolin freut sich auf die Anrufe. Aber es passiert immer wieder, dass Francesco sich nicht an die vereinbarte Zeit hält. Manchmal meldet er sich erst Stunden später; Stunden, in denen sie neben dem Telefon gesessen hat. Dann sagt er, es habe eben so viel mit der Exfrau zu besprechen gegeben, wegen der Kinder. Karolin kennt das auch von seinen Besuchen bei ihr in Regensburg: Dann verbringt er nach seiner Ankunft erst einmal zwei, drei Stunden am Telefon. Zuerst sind die Kinder dran, dann die Schwester, dann seine Mutter. Obwohl er die sonst jeden Tag sieht â schlieÃlich wohnt er seit der Trennung von seiner Exfrau wieder bei der Mutter. Karolin möchte das alles gern verstehen, und sie findet es auch gut, dass Francesco so intensiv am Leben seiner zwei Kinder teilhat, trotz der Trennung. Aber eines Abends sagt sie dann doch: »Warum kannst du mir nicht einfach eine SMS schicken, wenn absehbar ist, dass es mal wieder später wird? Schon aus Respekt mir gegenüber.« Dass sie dieses Wort »Respekt« benutzt hat, scheint Francesco überhaupt nicht zu passen.
»Du wirfst mir also Respektlosigkeit vor?«, fragt er scharf â und das ist der Beginn einer langen Diskussion, die in einen Streit mündet, und an dessen Ende Francesco das erste Mal mit Karolin Schluss macht.
Er beendet die Beziehung in den folgenden Jahren noch weitere 20-, 30-mal, so oft, dass Karolin das gar nicht mehr ernst nehmen kann. Doch was er ihr an den Kopf wirft, wenn sie am Telefon streiten oder wenn sie sich an manchen Wochenenden sehen, das kann sie kaum glauben. »Was bist du für ein Mensch?«, schimpft er einmal. »Mit so jemandem würde ich nicht einmal befreundet sein wollen!« Ein andermal nennt er sie einen Haufen ScheiÃe, auf Italienisch. Damals spricht Karolin die Sprache noch nicht und lässt sich den Ausdruck später von einem Bekannten übersetzen. Sie ist entsetzt. Wie kann man sich in einer Beziehung so etwas an den Kopf werfen? Wie kann man so aggressiv, so laut werden?
Es sind Kleinigkeiten, die Francesco zur WeiÃglut bringen. Wie damals, als sie einen Film über das Mittelalter sehen, in dem Männer in Schlafhemden auftauchen.
»So etwas würde dir bestimmt auch stehen«, neckt Karolin ihren Freund.
Der wehrt entsetzt ab. »So was? Nie im Leben!«
Sie fragt ihn, wie er das wissen könne, schlieÃlich habe er noch nie ein Schlafhemd angehabt. »Und da«, sagt Karolin, »ist er völlig ausgerastet.« Auch an diesem Abend macht Francesco mit Karolin Schluss.
Karolin sagt, solche Beispiele gebe es zuhauf. Und manchmal fragt sie sich, warum sie sich nur so hat einwickeln lassen von diesem Italiener, als sie ihn vor fünf Jahren kennenlernte. Damals wird Francesco ihr als neuer Kollege vorstellt; ein halbes Jahr will er hier in Deutschland verbringen. Bald wird Karolin hartnäckig von dem Italiener umworben: Er schmeichelt ihr, macht Komplimente und Geschenke, ist wortgewandt und spontan. Am Ende seiner Zeit in Deutschland werden sie schlieÃlich ein Paar. In den folgenden Jahren streiten sie dann aber
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