Tapas zum Abendbrot
Gesprächen geklärt wird oder auch Familien, die Probleme einfach unter den Teppich kehren. Spätestens, wenn man über seine Partner neue Familien kennenlernt, wird man sich mit einer anderen Umgangsweise arrangieren müssen. Aber selten treffen die Gegensätze so krass aufeinander wie in einer internationalen Beziehung.
Ich habe immerhin gelernt: Mit Ein-Satz-Beschwerden komme ich bei Roberto häufig nicht weiter. Die beste Lektion in dieser Sache erteilte mir eine Begebenheit vor einigen Wochen. Ich war beruflich zwei Tage in Köln gewesen, saà nun müde im Zug, es war spät abends, und ich war hungrig. Das Bordrestaurant hatte schon geschlossen (halb zehn ist schlieÃlich keine Zeit für eine deutsche Abendmahlzeit!), ich hatte nichts zu essen dabei â und rief also aus dem Zug bei Roberto an. SchlieÃlich steht für ihn immer ein Essen auf dem Tisch, wenn er von einer Reise spät am Abend heimkommt. Denn was das Essen angeht, bin ich gnadenlos spanisch geworden: Abends gibt es fast immer eine warme Mahlzeit, für gewöhnlich so gegen zehn. Manchmal wird es sogar noch später â wie an jenem Abend. »Ich bin in eineinhalb Stunden in Hamburg«, sagte ich damals in mein Handy, »und ich habe ziemlichen Hunger. Hast du schon gegessen?« Roberto verneinte. »Kannst du dann was kochen?«, fragte ich. »Ich müsste so gegen elf Uhr daheim sein.«
»Ich glaube, wir haben gar nichts Richtiges da«, sagte mein Freund.
»Der Supermarkt hat doch bis zehn Uhr offen«, gab ich zurück.
Als ich dann kurz nach elf die Wohnungstür aufschloss, winkte mir Roberto freudig aus der Küche zu â wo er gerade eine tiefgefrorene Pizza aus ihrer Folie befreite.
Da bin ich dann tatsächlich mal ausgerastet. Jedenfalls für meine Verhältnisse.
»Das ist jetzt nicht wahr, oder?«, fragte ich entgeistert. »Du weiÃt seit zwei Stunden, dass ich riesigen Hunger habe und hast noch nicht mal mit dem Kochen angefangen? Und dann willst du mir allen Ernstes eine Pizza vorsetzen? Wenn du nach einer Reise nach Hause kommst, ist der Tisch gedeckt und das Essen steht auf dem Tisch! Und dann ist das keine FER-TIG-PIZ-ZA !«
Roberto wehrte erst erschrocken ab, ging dann in ein vorwurfsvolles »Marike, please« über und sagte schlieÃlich »Ya está!«, was so viel heiÃt wie »Es reicht.«
»Nein, es reicht nicht«, rief ich. »Das macht mich wirklich wütend!!«
Ich regte mich den ganzen Abend über die Situation auf. Harmoniesucht? Das Wort hätte ich in dem Moment noch nicht mal buchstabieren können! Sogar am nächsten Morgen machte ich noch Kommentare dazu. Denn wie oft hatte ich in den vergangenen Jahren für uns gekocht, Rezepte ausprobiert, mir eigene Gerichte ausgedacht? Und er wollte mich so billig abspeisen?
Zugegeben: Wenn ich Hunger habe, kann ich unfair bis biestig werden. Aber ich fand das Ganze tatsächlich unfassbar â und ich wusste ja mittlerweile, dass ich das dann auch ausdrücken musste.
Als ich drei Wochen später hungrig von Terminen in Berlin zurückkam, da standen auf dem Esstisch nicht nur zwei Teller und eine geöffnete Flasche Wein, sondern auch ein groÃer Strauà roter Rosen. In der Küche strahlte mich mein Freund an und deutete auf das Gemüse, das in einer Pfanne vor sich hin brutzelte.
»In fünf Minuten fertig«, sagte er mit stolz geschwellter Brust.
Ich sagte: »Du bist der Beste.« Und dachte bei mir: Aha, so geht das also.
Wer am lautesten schreit, gewinnt â Elisabeth Jupiter kennt dieses Phänomen aus Griechenland. »Wenn Griechen lauter werden, ist das nichts Aggressives für sie«, sagt die Kommunikationsexpertin. »Wenn etwa ein Mitarbeiter seinem Chef gegenüber die Stimme erhebt, bedeutet das, dass ihm das Anliegen sehr wichtig ist â der Chef wird also besonders gut zuhören und darüber nachdenken, was er nun antwortet. Wenn dagegen in Deutschland ein Mitarbeiter dem Chef gegenüber laut wird, ist das unhöflich und wird zum Problem.«
Auch Roberto erklärte mir einmal, wie Streitigkeiten im Süden Europas ablaufen. »Ihr Deutschen wollt am Ende eine Lösung finden, einen Kompromiss«, sagte er amüsiert. »Spanier aber wollen gewinnen. Einen Kompromiss zu finden, das wäre wie aufgeben.«
»Warum erzählst du mir das erst jetzt?«, fragte ich erstaunt zurück.
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