Tapas zum Abendbrot
doch einfach den Kellner, ob sie Bocadillos haben, und wenn nicht, dann gehen wir eben weiter. Wir finden schon noch was.«
Roberto flucht leise vor sich hin. Er muss jetzt Dampf ablassen. Diese anstrengenden Deutschen, die immer alles so machen wollen, wie sie es kennen! Wenn er ihnen doch sagt, wie die Dinge sind!
Als wir das kleine Lokal betreten, lächelt uns der Kellner freundlich zu. »Vier Personen?«, fragt er. »Wir haben noch einen Tisch frei.«
»Haben Sie auch Bocadillos?«, fragt Roberto zähneknirschend. Es ist völlig klar, dass er das hier nur macht, weil er dazu gezwungen wurde. SchlieÃlich ist völlig offensichtlich, dass es nur eine Antwort auf eine solch dumme Frage gibt!
Der Kellner schüttelt bedauernd den Kopf. »Leider nein. Zurzeit nur Mittagstisch.«
»Danke«, sage ich und drehe mich um.
»Wir finden schon was«, sagt Verena erneut bemüht zuversichtlich.
»Gar nichts werden wir finden um diese Zeit«, brummt mein Freund übel gelaunt und verlässt hinter uns das Restaurant.
Kurz darauf haben wir die Kathedrale von Santiago de Compostela erreicht. Dutzende Pilger sitzen auf den Stufen. Verena und Max schlagen vor, wir könnten uns aufteilen und später wieder treffen.
Roberto blickt mich empört an. »Wir sind doch zusammen hier, warum können wir nicht gemeinsam durch die Stadt gehen?«, fragt er barsch.
»Ist doch praktischer«, gebe ich zurück. »Dann sind wir flexibler.«
»Praktisch, flexibel!«, presst mein Freund hervor. »Estos alemanes!«
Wir beschlieÃen, sein Immer-diese-Deutschen-Gemurmel geflissentlich zu ignorieren und verabreden eine Zeit am Abend. Dann verschwinden Verena und Max um die Ecke. Sie haben wohl wenig Lust auf meinen schlecht gelaunten Spanier.
Kaum sind sie auÃer Sichtweite, mache ich meinem Freund Vorwürfe. »Was soll das, warum moserst du so rum, wir sind im Urlaub!«
»Warum müsst ihr alles so kompliziert machen?«, schimpft Roberto zurück. »Wir sind in meinem verdammten Land, warum hört ihr nicht einfach auf mich?«
»Lass uns erst mal was essen«, versuche ich abzulenken.
»Ja, ein trockenes Brötchen aus einer Bäckerei!«, schnaubt Roberto und trabt mit grimmigem Gesicht hinter mir her. »GroÃartig!«
Als wir in eine der kleinen Gassen einbiegen, finden wir schnell eine Art gröÃeren Imbiss mit mehreren Tischen. Auf der Karte stehen Tapas, Hamburger und Sandwiches. Geöffnet ist das Lokal von acht Uhr morgens bis Mitternacht. Küche durchgängig. Und ich kann mir nicht verkneifen zu sagen: »War doch klar, wir sind schlieÃlich in einer Touristenhochburg!«
Aber damit hat sich die Diskussion natürlich nicht erledigt. Denn nun habe ich zwar recht, aber trotzdem immer noch alles falsch gemacht.
»Warum stellst du dich dauernd auf die Seite der anderen?«, fragt mein Freund. Er sieht dabei sehr, sehr böse aus. »Ich mag das nicht. Du solltest zu mir halten!«
Ich zucke die Schultern, versuche ruhig zu bleiben. »Aber wenn ich doch einer Meinung mit den anderen bin?«
»Drei Deutsche, die nicht auf mich hören wollen. Mit Spaniern hätte ich diese Probleme nicht!«
»In einer Gruppe muss man sich eben anpassen«, gebe ich altklug zurück. »Kompromisse finden, das ist doch normal. Und wir wollten alle nicht in dieses Restaurant.«
»Schon wieder! Du machst es schon wieder! Du stellst dich auf deren Seite und gegen mich!«
Unser Spanienurlaub mit Verena und Max ist jetzt zwei Jahre her. An jenem Nachmittag ging es noch eine Weile so weiter. Roberto wurde immer lauter, die Sache immer gröÃer, und irgendwann saà ich heulend auf meinem Stuhl. Und fragte mich, ob ich jemals mit dem Temperament meines Freundes würde leben können.
Wenn ich heute daran denke, dann fällt mir vor allem eines auf: dass ich mir eine solche Frage mittlerweile nicht mehr stelle. Man könnte sagen, ich habe mich irgendwie arrangiert. Ein dickeres Fell bekommen.
Es sollte an dieser Stelle keinesfalls der Eindruck entstehen, wir würden andauernd streiten. Im Gegenteil: Wir reden viel, nehmen uns oft in den Arm, können miteinander lachen, all so was. Bei guter Musik und guter Laune breitet Roberto manchmal spontan die Arme aus und legt ein Tänzchen mit mir hin, mitten in unserem Wohnzimmer. Tagsüber ruft er mich oft einfach so an, um zu fragen, wie mein
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