Tapas zum Abendbrot
eine gute Spanierin sein.
Die Managerin wirkt gestresst. Und ich bin einmal mehr froh, einen groÃen Bruder zu haben. Der fragt immer wieder hartnäckig, ob es nicht doch irgendwie möglich sei, den Saal bis fünf Uhr frei zu halten. Weil es doch so ein wichtiger Tag sei. Er hört aufmerksam zu, wenn sie spricht, nickt, zeigt Verständnis â und kommt dann immer wieder auf seine Forderung zurück. Echt, von groÃen Brüdern kann man wirklich was lernen. Am Ende seufzt die Managerin und sagt: »Ich denke noch mal drüber nach.«
Ha! So schafft man es also auch ohne Drohen! Mit dieser taffen Dame hätten das Ich-erzähle-allen-meinen-Freunden-Davon und eine erhobene Stimme wahrscheinlich auch gar nicht funktioniert. Die hätte dichtgemacht und wäre nur noch taffer aufgetreten. Weil sie den rüden Ton als unverschämt wahrnehmen würde. Weil man so nicht miteinander spricht. Weil man sich doch zivilisiert einigen kann.
Weil Deutschland eben nicht Spanien ist.
Als wir uns wieder auf den Autositz fallen lassen, sehe ich meinen Bruder glücklich an.
»Danke«, sage ich.
»Dafür nicht«, entgegnet er. Wir Deutschen sind eben auch in emotionalen Bekundungen eher kurz angebunden. In mancher Hinsicht, denke ich auf der Rückfahrt über die Dörfer, lohnt es sich ja, spanischer zu werden. Aber manches am Deutschsein möchte ich mir eigentlich ganz gerne bewahren. »Alles roger«, tippe ich in mein Handy. »Ich glaube, wir bekommen den Saal. Musste noch nicht mal drohen! Puh. Ist mir sowieso von Anfang an spanisch vorgekommen, dieses Durch-Lautwerden-löse-ich-alle-meine-Probleme â¦Â« Dann sende ich die SMS auf den Weg zu Nicole und lehne mich zufrieden im Autositz zurück.
Immer diese Deutschen!
»Was wollt ihr?« Die Falte zwischen Robertos Augenbrauen gräbt sich tief in seine Stirn.
»Nur eine Kleinigkeit essen«, sage ich und setze meinen freundlichsten Blick auf.
Unsere Freunde Verena und Max nicken. »Ein belegtes Baguette oder so«, sagt Verena. »Meinetwegen an der Theke. Oder auch auf die Hand. Und dann ab zum Sightseeing!«
»Meinst du, die haben hier was zum Mitnehmen?«, frage ich Roberto und deute auf die kleine Gastwirtschaft, vor der wir stehen.
»Bestimmt nicht«, sagt mein Freund und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Aber da steht doch â¦Â« Ich deute auf ein Schild neben dem Eingang. Dort heiÃt es, hier gebe es auÃer Tapas und Mittagstisch auch »Bocadillos«. Belegte Baguettes also.
Robertos Stimme klingt zunehmend genervt. »Das ist ein Restaurant. Um diese Zeit wird in Restaurants mittaggegessen. Und kein Spanier nimmt sein Mittagessen an der Theke ein, oder im Stehen. Also, gehen wir nun rein?«
Mir schwant Ãbles: ein dreigängiges Mittagsmenü nämlich, wie es in Spanien üblich ist. Dabei sind wir doch gerade erst in Santiago de Compostela angekommen, haben noch nichts von der Stadt gesehen! Wollen wir da wirklich als Erstes für eineinhalb Stunden in ein dunkles Restaurant verschwinden? Wir drei Deutschen sind uns einig: Das wollen wir nicht. Ein Baguette auf einer Parkbank in der Sonne oder auf den Stufen der Kathedrale, danach gemächlich durch die StraÃen schlendern â so stellen wir uns Urlaub vor! Um Roberto das begreiflich zu machen, müsste ich nun freilich in eine ausufernde Diskussion über nationale Essgewohnheiten einsteigen. Dafür habe ich keine Zeit. Deshalb mache ich kurz entschlossen einen Gegenvorschlag: »Sicher gibt es in der Stadt irgendwo einen Imbiss oder einen Bäcker.«
Robertos Stirnfalte wird darauf hin nur noch tiefer. »Jetzt willst du also doch nicht hier rein? Kannst du dich bitte mal entscheiden? Es ist halb vier, wenn wir noch länger warten, machen die Restaurants zu. Wir sind in Spanien, nicht in Deutschland.«
»Ich glaube ganz sicher, dass wir etwas anderes finden«, beharre ich. »In so einer Stadt wie dieser.«
Nun ist mein Freund vollends erbost. »Hörst du mir eigentlich zu?«, blafft er. »Ihr müsst euch schon ein wenig anpassen! Hier gibt es bestimmte Zeiten, zu denen man isst, und dafür setzt man sich an einen Tisch, wie es sich gehört!«
»Aber hier sind doch überall Touristen! Und wo Touristen sind, gibt es auch Bocadillos.«
»Marike, verdammt, warum glaubst du mir nicht einfach?«
Verena versucht zu vermitteln. »Fragen wir
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