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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Marike entsetzt. »Das kann ich doch jetzt nicht übersetzen!«
    Victoria scheint aber auch so verstanden zu haben. Wahrscheinlich klingt das Wort »skeptisch« auf Spanisch ganz ähnlich. Jedenfalls nickt sie sehr verständnisvoll und sagt etwas zu Roberto und Marike.
    Â»Was hat sie gesagt?«, frage ich.
    Â»Dass sie das verstehen kann«, antwortet Roberto an Marikes Stelle. »Sie findet so etwas ganz normal. Ich komme nun mal aus einer anderen Kultur.«
    Marike aber scheint immer noch etwas peinlich berührt. »Jetzt musst du aber noch etwas Nettes sagen«, fordert sie ihre Mutter auf.
    Paul stimmt ihr zu. »Immerhin hat sie dich gerade nach Spanien eingeladen!«
    Marikes Mutter versucht sich dann an einer Erklärung: Am Anfang sei man halt skeptisch, wenn so ein Südländer an der Hand der Tochter anspaziert komme. Da wisse man ja nicht, wie ernst der es meine – Südländer hätten ja so ihren Ruf.
    Mehr sagt sie nicht – aber ich weiß von Marike, was sie ihr damals, als sie und Roberto gerade zusammengekommen waren, durch die Blume zu verstehen gab: »Erst machen sie der Frau umfassend den Hof, aber später, zu Hause, rühren sie dann keinen Finger.«
    Â»Aber jetzt wissen wir ja, dass er es ernst meint«, fügt Marikes Mutter noch schnell hinzu. Ihr Freund Andreas ergänzt diplomatisch: »Und nun freuen wir uns sehr. Wir freuen uns auch, dass ihr hier seid.« Er scheint verstanden zu haben, dass man der spanischen Überschwänglichkeit nicht nur mit nordischer Kühle begegnen kann.
    Marikes Mutter hat es aber auch wirklich nicht leicht, denke ich. Schließlich hat sie bald nicht nur spanische Verwandtschaft, sondern auch noch chinesische. Und wer weiß, wen ihre beiden Jüngsten noch mit nach Hause bringen werden! Ich frage mich, wie ich mich verhalten würde, wenn ich die Mutter von Paul, Anna oder Marike wäre. Ich fürchte ja, dass ich der chinesischen Schwiegermutter einen vor den Latz knallen würde, wenn sie auch nur andeutungsweise zu verstehen gäbe, dass mein Sohn nicht gut genug für ihr Töchterchen sei. Dass ich dem Mann aus dem Niger unmissverständlich klarmachen würde, dass meine Tochter so viele Männerfreundschaften haben darf, wie sie will. Und dem Schwiegersohn aus Spanien, dass er gefälligst pünktlich sein soll, wenn er sich mit mir verabredet. Ich habe zwar noch keine Kinder, aber ich kann mich in die Rolle der überengagierten Tigermutter ziemlich gut hineinversetzen.
    Natürlich will jeder sein Kind beschützen. Die Frage ist: Wie macht man das? Und wann macht man alles nur noch schlimmer? Schließlich würde meine hypothetische Tochter wohl nie wieder mit mir sprechen, wenn ich ihren muslimischen Freund beiseitenähme, um ihm zu erklären, dass er mich von einer ganz anderen Seite kennenlernen würde, sollte er es wagen, meine Tochter zum Hausmütterchen zu machen. Und meinem Sohn wäre wohl auch nicht geholfen, wenn ich ihm erklärte, dass ich dieses Statusdenken seiner chinesischen Schwiegerfamilie extrem ätzend finde.
    Wann soll man sich also als Eltern oder Freunde bedeckt halten, obwohl man sieht, dass die Beziehung in keine gute Richtung läuft? Wann darf man etwas sagen, wann Tipps geben? Wann sollte man Hilfe anbieten? Und wann muss man tief durchatmen und sich dreimal hintereinander sagen: »Sie sind erwachsen. Es ist ihr Leben.«?
    Hühnerfüße auf dem Mittagstisch
    Herr Dong ist ein kleiner, zarter Mann Ende 50. Er besitzt ein Restaurant in Shanghai, in dem er »Baozi« und Peking-Ente anbietet, und wenn er isst, dann schmatzt er genüsslich. Er hat drei Kinder, eine Vorliebe für guten grünen Tee und eine überschaubare Zahl an Unterwäschesets. Einmal die Woche ist bei Herrn Dong Badetag.
    Frau Schulz ist eine hochgewachsene, schlanke Frau Mitte 60, mit grauem Pagenschnitt und rasantem Mundwerk. Sie isst gerne Mohnstriezel (ohne zu schmatzen), mag Fernreisen und ihre Berliner Altbauwohnung. Frau Schulz wäscht sich täglich. Sie ist jetzt Rentnerin und erwartet noch einiges vom Leben. Was sie aber nicht erwartet hätte, ist, dass sie, die lange Frau Schulz, mit dem kleinen Herrn Dong einmal eine Art Wohngemeinschaft bilden würde. Dass sie gemeinsam mit dem Chinesen frühstücken würde, er frittierten Fisch und Suppe, sie ein Brötchen mit Marmelade. Dass sie gemeinsam im Supermarkt einkaufen

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