Tapas zum Abendbrot
der türkischen Oma die Einreise gewähren müssen, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Auch soll es nach der neuen Regel Visa für mehrere Einreisen geben, die fünf Jahre lang gültig sind. Damit könnten Verwandte auch kurzfristig und ohne lange Wartezeiten zu Besuch kommen. Und noch eine Erleichterung soll der Kodex bringen: Die Behörden sind nun verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen eine Entscheidung zu treffen und eine Begründung zu liefern, wenn sie einen Antrag ablehnen.
Auch Herr Dong braucht ein Visum, um seine Tochter zu besuchen. Er und seine Frau waren damals nicht gerade begeistert, als das Töchterchen diesen Deutschen anschleppte. Und Frau Schulz und ihr Mann waren ebenso erstaunt, dass Daniel aus Shanghai nicht nur seine fertige Diplomarbeit mitbrachte, sondern auch seine Chinesischlehrerin.
»Als er uns von ihr erzählte, da war schon klar, dass die ihm nicht nur Chinesisch beibringt«, sagt Frau Schulz und lacht. »Da haben wir uns auch gefragt: Findet der keine Deutsche? Der wird doch jetzt wohl nicht ganz nach China ziehen?«
Hätte Daniel eine Frau aus seiner Heimat geheiratet, wäre wohl wirklich vieles einfacher gewesen. Vor allem die Sache mit der Sprache. Als er Lingling an Weihnachten zum ersten Mal mit nach Berlin bringt, spricht sie noch kein Wort Deutsch â auch wenn das Frau Schulz natürlich nicht davon abhält, ausführliche Konversation zu betreiben. »Wir fanden sie sehr nett«, sagt sie überzeugt. Hätte Daniel eine Deutsche zur Frau, hätten seine Eltern sich auch nie mit dem Buddhismus beschäftigen müssen, mit chinesischem Aberglauben, den sie doch oft merkwürdig finden, mit der Sorge, dass ihr Sohn für immer nach China ziehen könnte.
Andererseits hätten Mutter und Vater Schulz dann auch einiges verpasst. Daniels Vater hätte nie einen Chinesischkurs besucht, er hätte nie versehentlich HühnerfüÃe gegessen, weil er beim Besuch in China nicht wusste, was er sich in den Mund steckte, er hätte nie den verrückten Shanghaier Autoverkehr kennengelernt, der ihn bis heute fasziniert. Seine Frau würde sich nicht auskennen mit der richtigen Zubereitung grünen Tees, mit chinesischen Kinderliedern. Und die beiden hätten auch nie eine chinesische Hochzeit miterlebt. »Das alles hat unser Leben auch bereichert«, sagen sie.
Fünf Jahre ist es her, dass Stefanie und Günther Schulz zum ersten Mal in ein Flugzeug stiegen, um in den Fernen Osten zu fliegen. Ihr Sohn hatte ihnen vorher einen Crashkurs in Sachen chinesischer Höflichkeitsregeln gegeben. Sie hatten Gastgeschenke gekauft, sie wussten, dass die kleinen Tassen für den grünen Tee keine Henkel haben und man beim Essen auf jeden Fall etwas übrig lassen muss, da der Gastgeber sonst sein Gesicht verliert, weil er nicht genug gekocht hat. Als sie zum ersten Mal bei den zukünftigen Schwiegereltern ihres Sohnes zu Gast waren, als sie die Treppe hinauf ins Wohnzimmer geführt wurden, waren sie dennoch stocksteif. Sie setzten sich um den Tisch, tranken den Tee und lieÃen sich beäugen. Dass man andere Menschen nicht anstarrt, das merkten sie bald, ist offenbar ein eher europäisches Konzept. »Erst kam ein Chinese«, erzählt Frau Schulz, »dann kamen zwei weitere, redeten kurz und verschwanden wieder. Dann stapften immer mehr Chinesen die Treppe herauf, Freunde, Nachbarn und Verwandte, und betrachteten uns. Das war wie im Zoo.«
Die Braut, die über den Kohleofen stieg
Wenige Tage später fühlte sich Stefanie Schulz dann eher an ein Kasperletheater erinnert. Lingling und Daniel hatten sich nämlich entschlossen, eine traditionelle chinesische Hochzeit zu feiern. Es wurde also ein Pferd organisiert, ein kleiner Kohleofen und eine Sänfte, Lingling zog ein rotes Gewand an, bekam eine schwere Krone aufgesetzt und wurde dann mit einem Tuch verhangen. Daniel wurde in traditionellen Stoff gehüllt, er bekam einen Hut mit einer Art Riesenpropeller auf und einen Puschel vor die Brust montiert. Das Haus, das er für seine Eltern gemietet hatte, wurde für einen Empfang vorbereitet und mit unzähligen Luftballons geschmückt, welche fatale Folgen für die Hochzeitsnacht haben sollten â aber dazu später mehr.
Da traditionelle Hochzeiten auch in China eher ungewöhnlich sind, kam sogar das Fernsehen, und weil keiner der anwesenden Gäste wusste, wie so eine
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