Tapas zum Abendbrot
Teller. Von den spanischen Tischen schallt lautes Lachen herüber; Anekdoten aus der Schulzeit machen die Runde. Als es zu dämmern beginnt, stapelt mein Onkel in einer groÃen Feuerschale Holzscheite übereinander. Nach einigen Minuten schlagen wohlig warme Flammen aus der Schale gen Himmel, bunte Lampions tauchen die Szenerie in ein schummeriges Licht. Mir ist allerdings wenig schummerig zumute â denn durch meine Adern pumpt nicht Blut, sondern Adrenalin! Immer wieder wechsele ich meinen Sitzplatz, um ja keinen der Gäste zu vernachlässigen. SchlieÃlich lande ich am gleichen Tisch wie meine Cousinen Anna und Ida.
»Schade, dass Aminu das nicht erleben kann«, sage ich und deute in die Runde. SchlieÃlich dürfte so eine lautstarke Familienzusammenkunft ganz nach seinem Geschmack sein.
»Er fand es einfach so anstrengend letztes Jahr bei Omas Geburtstag«, sagt Anna. »Und er will nicht am Tisch sitzen, wenn alle essen und er fasten muss.«
»Ist das denn so eine strenge Pflicht, dass er nicht mal einen Tag aussetzen darf?«, frage ich.
»Ramadan ist für Moslems so etwas wie für euch Weihnachten«, sagt Karim, Idas tunesischer Ehemann. »Wir lieben Ramadan. Man isst tagsüber nichts und kommt dann abends mit der ganzen Familie zusammen. Das ist toll, da ist immer viel Stimmung. Da fastet man nicht nur, weil man muss, sondern auch, weil man es will. Aber natürlich gibt es Moslems, die es nicht ganz so streng nehmen. Mich zum Beispiel.«
»Stört es euch gar nicht, dass ihr nicht die gleiche Religion habt?«, frage ich. »Macht das die Sache nicht kompliziert?«
Ida zuckt mit den Schultern. »Wieso? Er betet ab und zu, aber auch nicht jeden Tag. Er isst kein Schweinefleisch. Und wenn er Ramadan feiert, geht er in die Moschee. Viel mehr bekomme ich davon gar nicht mit.«
»Eigentlich sollte ich jeden Tag fünfmal beten«, sagt Karim. »Und ich sollte auch keinen Alkohol trinken. Aber daran halte ich mich nicht so genau.«
»Aber was macht ihr denn, wenn ihr mal Kinder bekommt?«, frage ich.
»Dann sind sie nach meinem Glauben automatisch Moslems«, antwortet Karim.
»Aber das heiÃt ja nicht, dass sie in die Islamschule gehen oder wie in einer Sekte indoktriniert werden«, wendet Ida ein. »Ich sehe das doch bei Karims Eltern: Die haben ihren Kindern den Glauben zwar nahegebracht, die Details überlassen sie ihnen aber selbst.«
»Und du hast kein Problem damit, dass deine Kinder eine andere Religion haben werden, als du?«, frage ich erneut nach.
Ida schüttelt den Kopf. »Nö. Ich finde es gut, wenn man in einem Glauben Halt findet. Da beneide ich ihn manchmal richtig.«
Meine Cousine scheint ihre Beziehung tatsächlich kein bisschen kompliziert zu finden. Dabei ist sie selbst christlich erzogen worden â ist es da nicht natürlich, dass man seinen Kindern das Christentum weitergeben will?
»Für mich ist das nicht so wichtig«, sagt Anna. »Aber natürlich möchte ich mit dem leben können, was Aminu unseren Kindern beibringt. Ich hatte mal einen Arbeitskollegen, der mit einer jüdischen Frau verheiratet war. Der war überhaupt nicht einverstanden mit dem, was seine Frau mit den Kindern machte. Deshalb haben sie sich letztendlich auch getrennt. Sie hat den Sohn zum Beispiel beschneiden lassen, als das Baby acht Tage alt war. Ohne Narkose! Das hat ihn richtig verfolgt. Er hat sich immer gefragt, ob er als Vater nicht hätte einschreiten müssen. Heute sagt er, dass er nie wieder eine Beziehung zu jemandem mit einer anderen Religion eingehen würde.«
»Vielleicht sehen wir das mit den Religionen in ein paar Jahren ja entspannter, auch, was Beziehungen zwischen Christen und Moslems betrifft«, klinkt sich Nicole von der anderen Seite des Tisches in das Gespräch ein. »Schaut doch mal in Deutschland 50, 60 Jahre zurück: Als meine katholische Oma einen protestantischen Flüchtling heiratete, war das auch ein kleiner Skandal. Also was sollâs.« Sie zuckt mit den Schultern. »Kommt doch eh darauf an, was jedes Paar für sich draus macht.«
Als später die ersten Gäste aufbrechen, stehe ich noch eine Weile am erlöschenden Feuer und sehe in die Flammen. Meditativ ist das. Ich denke nach. Andere würden vielleicht sagen: Ich spreche mit Gott. Ja, ich bin froh, dass Roberto und ich uns in der Glaubensfrage einig sind. Er ist
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