Tapas zum Abendbrot
Mecklenburg genauso kalt sei wie in der Hauptstadt, wollte sie wissen. Sie habe fast nur Sommerkleider dabei, auch für die Trauung. Aber jetzt laufe sie schon drei Tage frierend durch Berlin und frage sich, ob sie sich nicht besser einen warmen Pulli kaufen sollte.
Ich konnte da nur auf die Wettervorhersage verweisen: Mitt lerweile zeigten die Zeichnungen auf den Webseiten neben einigen Wolken auch hier und da eine sehr hübsch und sehr gelb strahlende Sonne. Eine Vorhersage lehnte sich sogar so weit aus dem Fenster, zu behaupten, es werde am morgigen Samstag 26 Grad warm!
Und tatsächlich steigen schon heute im Laufe des Tages die Temperaturen. Endlich keine Herbststimmung mehr! Gut gelaunt mache ich mich auf den Weg zur Maniküre. Roberto kauft derweil einen FuÃball, um auf die Ankunft seiner spanischen Freunde optimal vorbereitet zu sein. Vor den Ferienwohnungen, in denen einige von ihnen unterkommen, befindet sich nämlich ein Eins-a-Rasen. In Spanien ist grüner Rasen selten, denn so etwas muss dort täglich gegossen werden. Deshalb sind spanische Jungs nur sandig-staubigen Untergrund gewohnt, wenn sie FuÃball spielen. Echter Rasen bedeutet für sie puren Luxus. Und deshalb ist klar: Gleich nach der Ankunft wird erst einmal gekickt.
Während meine Hände hochzeitstauglich gefeilt werden, klingelt das Telefon. Es ist meine Cousine Ida. »Hast du daran gedacht, dass Karim kein Schweinefleisch essen darf?«, fragt sie. Idas Mann ist Tunesier und damit Moslem. Und morgen werden zum Lammfleisch Bohnen mit Speck gereicht â Speck aus Schweinefleisch. Woran man alles denken muss! »Mist, das habe ich vergessen«, sage ich. »Aber ich melde es gleich nachher im Schlosshotel an: eine Portion ohne Speck.«
Was tun wir nicht alles für unsere Gäste! Nur auf Essen und Trinken bis nach Sonnenuntergang verzichten, das können wir nicht. Genau das ist aber der Grund, warum Aminu nicht kommen wird, der Freund meiner Cousine Anna. Es ist Ramadan. Und im Ramadan wird gefastet, solange die Sonne am Himmel steht.
Das hat Aminu auch bei der Geburtstagsfeier meiner Oma im letzten Jahr durchgezogen. Er saà mit uns allen am Tisch, aà aber nichts â und musste sich deshalb ständig erklären. Jeder wollte wissen, wie genau Ramadan denn nun funktioniere, und ach, man dürfe tagsüber auch nichts trinken, gar nichts? Das war Aminu zu viel der Fragerei, zu viel der Aufmerksamkeit, zu viel der Anstrengung. Deshalb hat mir Anna schon vor einiger Zeit gesagt, dass ihr Freund dieses Mal leider nicht dabei sein wird.
So viel Religion in meiner Familie â das ist neu. Meine Eltern sind atheistisch aufgewachsen, genau wie meine Geschwister und ich. Als mein Stiefvater sich von einer Sekte anwerben lieÃ, war es mit der Ehe zu meiner Mutter bald vorbei. Die stundenlangen Hare-Krishna-Gesänge und Meditationen waren einfach nicht auszuhalten. Religion kann kompliziert sein, denke ich, während ich auf meine Fingernägel schaue. Religion macht Beziehungen so viel anstrengender â zumindest, wenn man sie nicht teilt. Wie gut, dass Roberto und ich uns in unserem Nicht-Glauben einig sind!
Der Rest des Tages ist vollgestopft mit Kleinigkeiten und Erledigungen: Ich besorge Dankeskarten und Pralinen für das Hotelpersonal. Zusammen mit Nicole bringe ich mehrere Kisten roten und weiÃen Wein ins Schloss. Roberto kümmert sich derweil um die ersten spanischen Gäste. Und mehrere meiner Freunde aus Uni-Zeiten ziehen in ein Ferienhaus gleich nebenan ein. Aufregend ist das alles!
Dann brechen wir alle gemeinsam in den Biergarten auf. Plötzlich strömen von allen Seiten bekannte Gesichter auf mich zu â mein Vater, meine zukünftigen Schwiegereltern, Morten, Freunde aus Hamburg, Mainz, Heidelberg und Tübingen; alle trudeln sie nach und nach ein.
Bald brutzeln Steaks und Würstchen auf dem Grill, vor den Salatschüsseln hat sich eine lange Schlange gebildet. Und das Beste: Es scheint tatsächlich die Abendsonne auf uns herab. Ich kann mein Glück kaum fassen: Sowohl die Fluglotsen, als auch das Wetter spielen mit!
»Glücklich?«, fragt mein Freund neben mir und grinst. »Glücklich«, gebe ich strahlend zurück. »Vielleicht gibt es ja doch einen Gott.«
Roberto lächelt. »Ich wette, daran ist einfach nur dein unglaubliches Glück schuld.« Ich nicke zufrieden und fülle mir ein paar gegrillte Tomaten auf den
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