Tapas zum Abendbrot
zwar als Katholik aufgewachsen und auch auf eine katholische Schule gegangen, bezeichnet sich aber mittlerweile wie ich als Atheist. Oder, wie ich gerne sage: als Humanist. Aber wie machen das nur Paare, die sich lieben â und in dieser einen elementaren Frage unterschiedliche Ãberzeugungen haben? Fragen die sich nicht manchmal: Wie viel kann ich, will ich tolerieren?
Bring ihn mir, ich tauf ihn dir!
In Ecuador laufen Beziehungen so ab: Entweder, man trifft sich über Jahre heimlich, schläft heimlich miteinander, und das endet im schlimmsten Fall mit einer unehelichen und nicht zu verheimlichenden Schwangerschaft. Oder man lernt sich kennen, stellt seinen Partner sehr bald zu Hause vor â und ist damit so gut wie verlobt. Mariana erntet deshalb immer wieder die gleiche ungeduldige Frage: Wann heiratet ihr endlich? SchlieÃlich ist es schon vier Jahre her, dass sie bei einem Besuch im heimischen Cuenca ihren Freund Lennart mitbrachte â und noch immer tragen sie keinen Ring am Finger. Obwohl sie sogar zusammenwohnen! Das könne nur am schlechten Vorbild ihrer Schwester liegen, schimpft Marianas Vater manchmal. Die habe sich schlieÃlich auch mit einem Europäer eingelassen, einem Ãsterreicher, ohne zu heiraten. »Was soll ich nur den Nachbarn sagen, der Familie?«, fragt der Vater immer wieder. Seine Strategie liegt im Vermeiden. Zum Beispiel, als Mariana für einige Monate von Ecuador nach Mexiko zieht, weil Lennart dort ein Praktikum macht. Da erzählt der Vater allen: Meine Tochter geht nach Mexiko, sie macht ein Praktikum. Als sie später Lennart ein halbes Jahr lang in Deutschland besucht, heiÃt es: Meine Tochter geht nach Deutschland, sie lernt Deutsch.
Lennart taucht in den Erzählungen des Vaters nicht auf. Als richtig ernsthaft kann er die Beziehung sowieso nicht ansehen. SchlieÃlich sind die beiden noch nicht verheiratet. Dass sie trotzdem ein Sexleben haben könnten, davor verschlieÃt er lieber die Augen.
Marianas Mutter dagegen weià wohl, dass Mariana und Lennart nicht nur Händchen halten. Aber immer, wenn sie eine Pillenpackung sieht, sagt sie: »Gütiger Gott, warum tust du das, das ist nicht gut!« Und auch der Bruder hat etwas gegen die Beziehung einzuwenden: »Ich traue diesem Deutschen nicht.«
Mariana ist umgeben von Menschen, die sich aus ihrer eigenen Sicht völlig logisch verhalten: wie gute Katholiken eben. Solange sie mit Lennart im Ausland ist, stört sie das kaum. Aber immer dann, wenn sie mit den Eltern telefoniert oder die Familie besucht, wird ihr klar, dass sie dem Bild der vorbildlichen Katholikin nicht mehr entsprechen kann. Schon deshalb, weil sie Lennart niemals in der Kirche wird heiraten können. Denn ihr Freund ist ungetauft und glaubt nicht an Gott. Er bezeichnet sich als Agnostiker. Ohne Taufe aber keine katholische Hochzeit. Und damit auch keine vor Gott legitimierte Ehe.
Das ist harter Tobak für eine Familie, deren Leben vom täglichen Beten, vom Kirchgang und von der katholischen Moral geprägt ist. Marianas Mutter fragt deshalb immer wieder: »Wann lässt sich Lennart denn nun endlich taufen? Bring ihn mir her, dann mache ich das!« Manchmal sagt sie auch: »Diese Beziehung ist nicht gut! Gott will das nicht!« Abends betet Marianas Mutter für Lennart, damit er zum Glauben finden möge.
»Ich finde das irgendwie witzig«, sagt Lennart. »Dass die glauben, ich könnte meine Ãberzeugung ändern, wie man eine Meinung ändert. Obwohl das für sie natürlich kein Witz ist. Es ist ihnen sehr ernst damit.«
Hätte Lennart sich in eine Muslima verliebt, so wäre er wohl auf religiöse Komplikationen vorbereitet gewesen. SchlieÃlich gibt es unzählige Geschichten über dieses Thema, die Zeitungen sind voll davon. Aber welcher Deutsche rechnet schon bei einer Katholikin damit, dass die Religion ein Problem sein könnte?
Lennart weiÃ: Wenn er Mariana eines Tages heiratet, dann werden ihre Eltern das nicht als Hochzeit ansehen. Nur standesamtlich, nicht vor Gott â für sie kann das keine Ehe sein. Und weil Ecuador ein Land ist, in dem die Familie, die Gemeinschaft alles bedeuten, wird es für Mariana ein schwieriger Schritt sein, ihre Eltern derart zu enttäuschen. Sie selbst träumt ja auch schon seit Kindertagen von einer Hochzeit in der Kirche. Dass sie das wohl nie haben wird, ist hart. »Aber Lennart gibt es nun mal nur
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