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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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so«, sagt sie.
    Glauben ist nicht nur eine Sache eines einzelnen Menschen, das haben Mariana und Lennart in den letzten Jahren gemerkt. Glauben ist etwas, das Familien zusammenhält, Menschen zu einer Gemeinschaft macht – oder sie davon ausschließt.
    Lennart sagt: »Hier in Deutschland stört uns das nicht weiter.« Er sitzt bei geöffneter Balkontür in der knallrot gestrichenen Küche seiner Wohngemeinschaft, die Haare noch etwas verwuschelt; er ist gerade erst aufgestanden. Neben ihm schmiert sich Mariana ein Brötchen. Sie ist seit ein paar Monaten wieder einmal bei ihm in Deutschland, lernt Deutsch und wohnt mit ihm in seinem Altbau-WG-Zimmer. Ihren Eltern hat sie gesagt, sie wolle bis September bleiben. Jetzt aber möchte sie verlängern. Deshalb grübelt sie schon seit Tagen darüber nach, wie sie ihrem Vater das nun wieder beibringen soll. Sicher wird es Tränen geben. Und sie wird wieder das Gefühl haben, eine Enttäuschung zu sein.
    Wenn Lennart und Mariana hier in Münster sind, findet niemand ihre Lebensweise komisch. Erst einmal lernt man sich gut kennen, schließt eine Ausbildung ab, sucht sich Arbeit, dann heiratet man, wenn man denn möchte – so ist es in Deutschland normal. Und solange sie keinen Fanatiker an ihrer Seite haben, finden die meisten es egal, ob der Partner nun Katholik ist, Buddhist oder eben Atheist.
    Mariana findet das schön. Sie findet aber auch: Die Deutschen haben ein komisches Verhältnis zu ihren Familien. »Für einen Ecuadorianer ist es merkwürdig, dass ein Kind schon mit 18 von zu Hause auszieht. Für ihn ist das ein Anzeichen dafür, dass die Eltern ihr Kind nicht richtig lieben und das Kind nicht die Eltern. Für mich bedeutet die Familie alles. Das ist ja ein Prinzip der Kirche: Die eigene Mutter so zu lieben, wie die Mutter Gottes.«
    Als sie Lennart vor vier Jahren in Ecuador kennenlernte, fragte Mariana ihn manchmal: »Wie geht es deiner Mama?«
    Und er sagte dann: »Weiß nicht.«
    Â»Wann hast du mit ihr gesprochen?«
    Â»Vor einem Monat.«
    Wenn sie davon erzählt, schüttelt Mariana noch heute den Kopf. »Ich telefoniere jede Woche mit meiner Familie.«
    Â»Manchmal sogar jeden Tag«, fügt Lennart hinzu. »Aber über vieles kannst du mit deinen Eltern doch gar nicht reden. Über die Beziehung zum Beispiel oder gar über Sex, undenkbar. Ich rede mit meinen Eltern zwar seltener, aber dafür völlig offen über alles.«
    Â»Lennart sieht seine Eltern als Freunde«, sagt Mariana. »Bei mir ist das anders. Seine Eltern fragen, wann er mit dem Studium fertig ist, was er danach machen will. Meine Eltern fragen, wann wir endlich nach Ecuador kommen und Kinder bekommen. Weil wir nicht dem üblichen Weg folgen, wollen sie wissen, wo diese Beziehung hinführt.«
    Wohin diese Beziehung wohl führt, das hat Mariana sich selbst viel zu spät gefragt – als sie schon bis über beide Ohren verknallt war. Damals, vor vier Jahren, zog Lennart als der Neue in ihre Sechser-Wohngemeinschaft in Quito ein. Lennart machte ein Praktikum in der ecuadorianischen Hauptstadt, Mariana studierte an der Universität. Die beiden verstanden sich gut. Mehr wollte Mariana eigentlich nicht. Sie hatte genug Freundinnen, die mit Männern aus Europa zusammen waren, und sie sah, was das bedeutete. Auch ihre Schwester hatte sich gerade in einen Österreicher verliebt. Immer diese Sehnsucht, die Tränen, die Unsicherheit, das Was-soll-nur-Werden – darauf hatte Mariana keine Lust. Sie wollte eine normale Beziehung. Aber andererseits: Mit Lennart konnte man einfach wunderbar reden. Vielleicht nicht über Gott, aber über die Welt. Und nach ein paar Wochen küsste er sie sogar.
    Mariana fragte ihre Schwester um Rat – und die ermunterte sie: »Genieße es, er bleibt doch nur drei Monate, er will doch auch nur was Kurzes.«
    Als Lennart schließlich Ecuador verließ, um ein Jahr lang im benachbarten Kolumbien zu studieren, da machten sie Schluss. Wie sollte das mit ihnen auch funktionieren? Vermutlich war es besser, sich einfach nie wiederzusehen, dachte Mariana. Das dachte auch Lennart. Aber was zählen schon Gedanken, wenn man etwas ganz anderes fühlt? Ein paar Wochen später stand Lennart deshalb erneut bei Mariana vor der Tür.
    Die dachte an die Worte ihrer Schwester: »Das ist ein netter Kerl, du wirst es gut mit ihm haben!

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