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Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)

Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)

Titel: Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrina L. Vögele
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mehr mochte ich ihn. Ich riss mich von jeglichen Gedanken los, die auch nur im Entferntesten andeuteten, dass ich in Giardio mehr als nur ein Freund sah. Denn nur das war er für mich. Ein Freund, nichts weiter.
    »Lizzy? Lizzy! «
    Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, weil jemand ein Stück Brot nach mir geworfen hatte.
    »Hey!«, gluckste ich.
    »Ich habe das Gefühl, dass du mir nie zuhörst«,schimpfte der Werfer auch schon in gespielt tadelndem Ton. Seine Augen blitzten belustigt auf, und ich musste mir grosse Mühe geben, um nicht laut loszuprusten. Tatsächlich hörte ich ihm nur selten richtig zu. Wahrscheinlich hatte er bis jetzt schon Hunderte interessante und wichtige Geschichten erzählt, die ich einfach versäumte mit meinen Träumereien über seine hohen, schrägen Wangenknochen, die vollkommenen kobaltblauen Augen, das bronzefarbene Haar und, nicht zu vergessen, die schillernden Flügel. Was ich hingegen noch behalten hatte, war, dass sein Vater ein Mensch und seine Mutter eine Elfe war. Eine richtige Elfe, die sogar fliegen konnte, was, wie er mir gestand, er auch gerne könnte, es ihm aber nicht vergönnt war. Doch nachdem ich heute in der Stadt gesehen hatte, dass ich nicht die Einzige war, die ihn anschmachtete, konnte ich mir einen ausgiebigen Blick ab und zu ebenfalls gestatten.
    »Lizzy? Wo sind nur deine Gedanken?«, sagte eine Stimme direkt neben meinem Ohr. Ich sprang erschrocken vom Stuhl und wirbelte herum, wobei der Stuhl mit einem lauten Scheppern zu Boden krachte. Giardio stand lachend neben mir. Er musste sich erhoben und angeschlichen haben, während ich von ihm träumte. Verflixt! Schon wieder hatte ich ihm nicht zugehört. Es war immer das Gleiche.
    »Es tut mir leid. Ehrlich. Ich bin manchmal nicht ganz bei der Sache, weil …« Ich fuchtelte mit den Händen, als ob ich aus ihnen eine Ausrede herausschütteln könnte.
    »Nun ja, ähm, das Ganze ist nun mal ziemlich verwirrend für mich. Calvin, Taquanta …«
    Ich liess den Satz in der Luft hängen. Doch da es ihm einzuleuchten schien, lenkte ich das Gespräch stattdessen auf sein Armband, das mich schon eine Weile beschäftigte. Es war ein kunstvoll angefertigtes breites Lederarmband, in dessen Mitte zwei Edelsteine funkelten. Ein Diamant, blau wie seine Augen, und ein durchsichtiger. Da das Leder überall schon ziemlich abgewetzt war, nahm ich an, dass es schon eine Weile in seinem Besitz war.
    »Was ist das? Hat es eine spezielle Bedeutung? Oder ist es nur ein normales Schmuckstück?«, fragte ich ihn.
    »Es ist nichts. Nicht wichtig«, erwiderte er ungewohnt schroff. Er drehte sich von mir weg und starrte aus dem Fenster. Ich fühlte mich unbehaglich. Bisher hatte er alles mit Humor genommen, hatte meine Fragen beantwortet und versucht, meinen Wissensdurst zu stillen. Ich versuchte die Stimmung zu lockern: »Ach komm schon, was ist es? Versteckst du etwa irgendwelche Narben oder so? Oder ist eine geheime Waffe darunter?«, scherzte ich. Doch bei ihm kam es anscheinend nicht ganz so an, wie ich das geplant hatte.
    »Ich habe doch gesagt, dass es nichts ist!«, fauchte er.
    Bestürzt sah ich ihn an. So hatte er nun wirklich noch nie mit mir geredet. Noch kein einziges Mal in der langen Zeit, die ich ihn nun schon kenne, dachte ich sarkastisch. Ich wurde oft sarkastisch, wenn ich Angst hatte oder mir eine Situation unangenehm war. Eine leise Entschuldigung kam meinerseits, und dann herrschte Schweigen. Wir schwiegen und schwiegen. Ich setzte einige Male dazu an, etwas zu sagen, doch nie fand ich die richtigen Worte. Schliesslich wurde unsere »extrem lebhafte Konversation« dadurch unterbrochen, dass jemand an die Tür klopfte und dann eintrat. Es war Sarai.
    »Der Rat tagt noch, doch Ihre Majestät lässt ausrichten, dass ihr es euch gemütlich machen sollt. Sie bittet euch darum zu bleiben, bis die Sitzungen fertig sind, denn das Urteil könnte für euch von grosser Bedeutung sein. Wann gedenkt ihr zu speisen?«
    Endlich blickte mich Giardio an. Seine Wut schien verflogen, aber irgendetwas war in seinen Augen, und es schien mir auf eine seltsame Weise vertraut.
    »Wann wollen wir essen?« Sogar seine Stimme schien wieder völlig normal zu sein. Kein Unterton, einfach gar nichts.
    »Das kann ich wirklich nicht sagen, denn ich weiss nicht einmal, wie spät es ist. Ich habe meine Uhr verloren. Sowieso weiss ich nicht, ob die Zeit hier gleich läuft wie zu Hause, aber das ist ja auch egal …«, brach ich meinen Satz abrupt

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