Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
Seite zu stehen, würden wir – Giardio, Agnesia, Davinia und ich – uns ihnen anschliessen. Sehr zu meinem Bedauern auch Isabelle. »Bruderherz, wie sieht denn deine Rüstung aus?« Davinia war aufgestanden und hatte sich ihm auf den Schoss gesetzt, völlig unbewusst der Folgen, die ihre Frage hatte. Wie auf Kommando erstarrten wir alle und blickten ihn mit grossen Augen an. Und bevor ich mich zurückhalten konnte, rutschte mir die Frage heraus: »Du ziehst mit in den Krieg?«
Nun ruhten alle Augen auf mir.
»Mein Schatz, das kann nicht dein Ernst sein«,mischte sich seine Mutter ein. Doch er ignorierte uns und wandte sich an seine Schwester. Mit einer liebevollen Bewegung strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
»Um deine Frage zu beantworten: Ich weiss es noch nicht. Höchstwahrscheinlich glänzend, aber bei weitem nicht so pompös wie die der edlen Herren.«
Nun wandte er sich an uns, obwohl keine Erklärung mehr nötig war. Uns war allen bewusst, dass er mitkämpfen wollte.
»Ja, ich werde auch mitgehen. Sie können mich gut gebrauchen. Ich weiss, wie man mit dem Schwert umgeht und, ohne mich selbst zu loben, ich bin auch nicht gerade untalentiert darin, es richtig einzusetzen. Also ist es wohl logisch, wenn ich mit in den Krieg ziehe. Denn ich will meine Königin und das, wofür sie steht, verteidigen. Schliesslich betrifft mich diese Angelegenheit stärker als andere.«
Dabei fing er meinen Blick auf, und ich hatte wieder einmal das Gefühl, als blicke er direkt in meine Seele und noch tiefer. Leider blieb mir verborgen, was er dort entdeckte.
»Bitte, geh nicht«, hauchte Isabelle und legte ihm eine Hand – leicht wie eine Feder, wie mir schien – auf den Arm. Zu meiner Freude entzog er sich ihr mit einem entschuldigendem Blick. Ich wusste, dass es kindisch war, mich darüber zu freuen. Sie war sicherlich eine herzensgute Person. Ich würde mich auch nicht für den Rest meines Lebens weigern, ihre Nettigkeit anzuerkennen, das wäre ja verrückt. Und das war ich keineswegs. Ich würde mein albernes Verhalten nicht mehr lange durchziehen. Nur noch für eine Weile, eine angemessene Zeit. Nur für die nächsten 50 Jahre oder so.
»Bitte, tu das nicht. Das wird nicht gutgehen«, flehte Agnesia.
Ich schreckte auf. Hatte sie etwa meine Gedanken belauscht. Doch als ich ihren Blick sah, wurde mir klar, dass sie zu ihrem Sohn sprach. In ihren Augen las ich tiefste Besorgnis, die man nur aufbrint, wenn man zusehen musste, wie sein eigenes Fleisch und Blut mit offenen Armen dem möglichen Verderben entgegenrennt.
»Es tut mir leid, es muss sein.«
»Aber, Giardio, wieso? Du dienst Opalia viel besser, wenn du in Sicherheit bist«, fügte Isabelle hinzu. Das liess ich mir nicht gefallen. Sie durfte nicht diejenige sein, die ihn umstimmte.
»Denk doch mal nach: Die Vampire haben es wahrscheinlich besonders auf dich abgesehen, weil du mich gerettet hast. Es ist viel zu gefährlich.«
»Sie hat recht«, sprang Isabelle ein, »willst du wirklich dein Leben riskieren?«
»Ich muss ihnen zustimmen. Denk an deinen Vater. Ich will nicht, dass du so endest wie er!«, rief seine Mutter.
»Genug!« Das war Giardios Stimme. Aber nicht die ruhige, melodische, die ich gewöhnt war. Nein, diese war laut und aufgebracht. Immer noch melodisch, aber definitiv nicht mehr kontrolliert. Wütend funkelte er seine Mutter an. Davinia, die immer noch auf seinem Schoss sass und unsere Unterhaltung mit grossen Augen verfolgte, bewegte sich nicht mehr. Sie sah aus wie eine Statue, nur ihre Augen huschten von Giardio zu Agnesia und wieder zurück.
»Mit allem Respekt: Du hast kein Recht, Vater in diese Angelegenheit mit reinzuziehen. Ich, im Gegensatz zu ihm, stehe zu dem, woran ich glaube! Es ist dreist von dir zu behaupten, es gäbe Anhaltspunkte dafür, dass ich denselben Weg einschlage wie er. Wie kannst du es wagen!«, brüllte er. Seine Augen flammten auf; die Wut darin war unverkennbar. Agnesia hielt seinem Blick stand.
»Und ausserdem«, zischte er, »er hatte keine Wahl. Sie wurde ihm abgenommen. Dass er in die Rolle hineinpasste, war purer Zufall. Niemand konnte es ahnen. Er war ein anständiger Mann. Es war ein Zufall, ein Unfall.«
»Du weißt genauso gut wie wir alle, dass es in Taquanta keineZufällegibt. DieOrakel-Zwillingesaheneskommen. Es war seine Bestimmung. Und wir können nur hoffen, dass sie nicht vererbt wurde«, war alles, was sie darauf mit gefasster Stimme und ausdrucksloser Miene erwiderte. Er
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