Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)

Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)

Titel: Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrina L. Vögele
Vom Netzwerk:
betörend, und ich atmete tief ein, bevor ich mich, um ein lockeres Lächeln bemüht, von ihm löste.
    »Nun? Was wolltest du mir zeigen? Diesen Ast?« Ich hoffte inständig, meine Stimme würde mich nicht verraten. Doch wenn dem so war, so liess er es sich nicht anmerken.
    »Hier lang.« Er lief über den Ast zu weiteren Bäumen, und es war nicht das erste Mal, dass ich die Eleganz bemerkte, mit der er sich fortbewegte.
    Die Reise endete in einem Baum. Genauer gesagt, im riesigen Nest eines Eustors, einen solchen hatte ich in der Menagerie gesehen. Das Nest sei schon lange verlassen worden, erklärte Giardio. Auf meine Frage, woher er das wisse, erwiderte er, dass diese Vögel sich nie zweimal im selben Nest niederlassen würden, ebenso wenig wie andere Vögel bereits benutzte verwenden. Daher sei es gefahrlos, dort zu verweilen.
    Das Nest war aus Federn und Ästen gebaut und ziemlich geräumig. Es war mehr oder weniger rund, und hing an einigen Stellen über die Astgablung hinaus, so dass man sich ziemlich weit hinauswagen konnte. Hier, so erklärte mir Giardio, kam er immer hin, wenn er mit seiner Mutter gestritten hatte oder wenn er alleine sein wollte. Dieser Ort war sein geheimes Versteck und ich war die Erste, der er es zeigte. Tut mir leid, Isabelle: Dir mag er vielleicht vieles erzählen und ihr kennt euch vielleicht schon eine ganze Weile, doch
ich
kenne
sein
Versteck.
    »Wieso zeigst du mir das? Ich meine, ich fühle mich geehrt und es freut mich, dein Vertrauen zu haben, aber wieso mir und nicht zum Beispiel Isabelle?«, fragte ich, sein Gesicht keine Sekunde aus den Augen lassend. Er schien meine Frage ehrlich beantworten zu wollen. Und da dies meine Chance zu sein schien, traute ich mich endlich zu fragen.
    »Ist Isabelle nicht so etwas wie deine feste Freundin?«
    »Nein. Ich kenne sie einfach schon mein ganzes Leben. Sie war nie mehr als eine Freundin für mich. Aber nicht in dem Sinn, wie du es meinst. Wieso, hat sie behauptet, da wäre mehr?«
    Ich schüttelte den Kopf. Sie war nicht seine Freundin. Ich konnte es kaum glauben. Es gab keinen Grund, sienicht zu mögen. Sie war nur seine Kollegin, ein Mädchen, das er zwar schon sein ganzes Leben kannte, aber das definitiv nicht seine feste Freundin ist. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, doch es hielt nicht lange an. Meine anderen Fragen hatte er nicht beantwortet.
    »Aber, wieso zeigst du
mir
das? Wenn du sie doch schon dein ganzes Leben kennst?«
    Seine Augen huschten von meinem Gesicht zum Nest und wieder zurück; als ob er dort die Antwort darauf finden könnte. Er schien einen inneren Kampf auszutragen. In nur wenigen Sekunden spiegelten sich zig Emotionen in seinen tiefen, klaren Augen wieder. Er war so schön, so vertraut und mir doch so fremd, als er mit Entschlossenheit und derselben Würde und Majestät im Gesicht wie seine Mutter ein Stück näher heranrutschte, so dass unsere Arme sich fast berührten. Tausende von Funken sprangen über, und ich fühlte ein Kribbeln am Arm. So gerne hätte ich ihn berührt. Ihm das Haar aus dem Gesicht gestrichen, seinen Handlinien nachgefahren, seinen Arm gestreichelt. Ich beobachtete jede Regung in seinem Gesicht. Sein innerer Kampf schien beendet, doch welche Partei gewonnen hatte, konnte ich nicht ergründen.
    »Lizzy, ich habe dich hierher mitgenommen, weil … weil ich hier schon über so viel nachgedacht habe. Ich habe hier schon etliche Stunden verbracht. Dieser Ort scheint mir teilweise wie …wie …wie das Fenster zu meinen Gedanken. Fast schon meiner Seele. Und ich möchte, dass du sie kennst. Ich kenne dich noch nicht lange, und doch scheint es mir, als hättest du mich komplett durchschaut. Es gibt Momente, in denen deine Augen mich mustern, als würdest du versuchen, mich zu erfassen.«
    Die Röte schoss mir ins Gesicht, meine Wangen wurden heiss. Ich liess meine Haare wie einen schweren Vorhang zwischen uns fallen, so dass mein Gesicht vor ihm verborgen blieb. Er hatte es also doch bemerkt, hatte mich durchschaut; er wusste, wie sehr er mir gefiel. Mist.
    »Nein, du verstehst mich falsch.« Er beugte sich vor, strich meine Haare zur Seite und legte mir zwei Finger unters Kinn, so dass ich ihn ansehen musste. Giardio war ganz nah, und ich konnte wieder diesen herrlichen Duft nach Wald, Meer und Zimt wahrnehmen. Aus seinen Augen war jeglicher Humor gewichen. Sie waren klar und ernst und mir noch nie schöner vorgekommen.
    »Ich will dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich

Weitere Kostenlose Bücher