Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
versichert und wir haben es auch schon einige Male durchgekaut, aber ich habe trotzdem Angst.«
»Um ehrlich zu sein, freut mich das.«
Ich sah ihn fragend an.
»Denn es zeigt mir, dass ich dir etwas bedeute.«
»Natürlich tust du das, du Schwachkopf! Du bist mein bester Freund. Und das nicht nur in dieser Welt.«
»Dein bester Freund. Nicht weniger, aber auch nicht mehr«,flüsterte er so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob er es wirklich gesagt hatte. Wenn überhaupt, dann wahrscheinlich nur zu sich selbst. Ich biss mir auf die Lippe und zwar so stark, dass ich im Mund einen metallischen Geschmack verspürte.
»Giardio …«
Er wedelte meinen Einwand mit einer Hand weg.
»Wir müssen gehen.«
Er zog mich mit sich und sprach mich während des ganzen Wegs nicht mehr an. Das war auch besser so. Was er gesagt hatte, nagte an mir. Es war kein Vorwurf gewesen, sondern ein Wunsch. Und ich wusste es ja. Ich las es in seinen Augen, obwohl er es die meiste Zeit ziemlich gut verbarg. Zugleich verstand ich ihn. Ich wünschte mir ebenfalls, dass mehr zwischen uns sein würde. Doch es wäre sinnlos. Er kam von hier, ich aus meiner Welt. Diese Liebe hätte keine Chance – wirklich nicht?
»Lizzy? Lizzy? Hörst du mir wieder einmal nicht zu?«. Mit gespielter Wut drehte Giardio mir den Rücken zu.
Spontan streckte ich die Hand aus und berührte einen seiner kobaltfarbenen, glitzernden Flügel. Sie waren hauchdünn, stabil und glatt. Er zuckte zusammen.
»Tut mir leid«, murmelte ich beschämt.
»Kein Problem. Mach ruhig. Ich bin nur erschrocken.«
Forschend sah ich ihn an, dann streckte ich langsam die Hand aus und strich über den Flügel. Es fühlte sich an wie viele kleine, glatte Schuppen. Er bewegte sie einmal, und ich zuckte zurück, was ihn zum Lachen brachte. Wieder näherte ich meine Hand, und dieses Mal sah ich genau hin, als er sie bewegte. Ich konnte sehen, wie er die Muskeln zusammenzog, die dafür nötig waren. Muskeln, die ein Mensch gar nicht besass. Er verursachte einen kleinen Windstoss, und ich lachte, als die feinen Flügel sanft meine Handfläche berührten.
»Herrlich«, kommentierte ich.
Er strahlte mich an. Seine Augen glänzten, und ich hatte ihn selten so zufrieden gesehen.
»Na, wenn das nicht Mylady Elizabeth und Sir Giardio sind«, unterbrach da eine Stimme den Moment.
Für einen kurzen Augenblick schloss ich die Augen.
VII
»Guten Abend, Lord McBlood«, begrüssten wir den Vertreter von Blutrien, während Giardio sich verbeugte und ich einen Knicks machte. James nahm meine Hand, studierte sie für einen Augenblick und küsste sie dann. Anschliessend hielt er sie länger als nötig, bis ich sie ihm energisch entzog.
Er schmunzelte: »Nun, ich würde sehr gerne diese lebhafte Unterhaltung weiterführen, doch man erwartet mich. Auf Wiedersehen.«
»Hoffentlich nicht«,flüsterte ich, als James ausser Hörweite war. Wir brachen in Gelächter aus.
»Sollen wir?« Giardio bot mir seinen Arm dar und ich nahm das Angebot an.
An diesem Abend assen wir in kleineren Gruppen. Zu unserer gehörten Quintus, Agnesia, Davinia, Giardio, einige Elfen, zwei Edle aus Sprechlien, Isabelle, Maykus Seeran-ton – er hatte praktisch jede freie Minute der vergangenen Tage an Isabelles Seite verbracht – und ich. Maykus war ein gutaussehender junger Mann aus Ozeanien. Er war, in meiner Altersrechnung, 19, also zwei Jahre älter als Isabelle, hatte blondes Haar, meerblaue Augen, die weit auseinander standen, eine Narbe am Hals, starke Hände, eine ein bisschen zu gross geratene Nase und schmale Lippen. Alles in allem überhaupt nicht mein Typ – wie auch, wenn Giardio das exakte Abbild meiner Vorstellungen war –, aber seine Augen sprachen für sich. Sie waren gross und offen. Ausserdem nahm ich an, er hätte einen feinen Humor, da Isabelle ständig lachte, wenn er in ihrer Nähe war. Sie schienen sich miteinander wohl zu fühlen und die Gesellschaft des anderen zu schätzen. Meine Miene hellte sich auf und ich nahm unter dem Tisch Giardios Hand. Er drückte sie leicht. Es war ein angenehmer Abend, obwohl über uns allen eine dunkle Wolke hing. Eine tiefschwarze Wolke, denn niemand wusste, wer von uns den nächsten Tag überleben würde. Die Dorfbewohner waren gebeten worden, tagsüber in den Häusern zu bleiben. Wachen würden die grosse Mauer, die die ganze Stadt umgab, bewachen, und wir würden uns im Palast verstecken. Man rechnete nicht mit einem Angriff auf Norjomi, aber wir wollten
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