Taran Bd 1 - Das Buch der Drei
es an dem hastig übergeworfenen Obergewand.
»Hört sofort mit dem Unfug auf!«, gebot er; und an Coll gewandt fügte er stirnrunzelnd hinzu: »Ich kann mich nur über dich wundern. Hast du nichts Wichtigeres zu tun?«
»Es war nicht Coll«, unterbrach Taran. »Ich war es, der damit angefangen hat.«
»Das hätte ich nicht erwartet«, meinte Dallben. »Dann ist es vielleicht am besten, du kommst mit mir.«
Taran folgte dem uralten Mann aus der Schmiede. Sie überquerten den Hühnerhof und betraten das weiße, strohgedeckte Wohnhaus. In Dallbens Stube gab es eine Menge alter, halb verschimmelter Bücher. Sie häuften sich auf den durchhängenden Wandborden, sie lagen verstreut auf dem Fußboden umher, zwischen eisernen Kochtöpfen, reich verzierten Ledergürteln und anderem Krimskrams.
Taran nahm auf einer hölzernen Bank Platz – wie immer, wenn Dallben sich dazu herbeiließ, ihn zu belehren oder zu tadeln.
»Ich verstehe dich völlig«, sagte der Meister, nachdem er sich hinter dem Tisch niedergelassen hatte. »Im Gebrauch der Waffen ist eine gewisse Übung vonnöten. Aber weisere Köpfe als du werden darüber befinden, wann du den Schwertkampf erlernen sollst.«
»Tut mir leid«, meinte Taran kleinlaut. »Das konnte ich ja nicht wissen.«
»Ich bin dir deswegen nicht böse«, sagte Dallben. »Ich bin nur ein wenig traurig. Rasch eilt die Zeit dahin. Stets ereignen sich die Dinge früher, als man’s erwartet. Und doch«, murmelte er mehr zu sich selbst, »der Vorfall beunruhigt mich. Möglich, dass er mit dem Gehörnten König zu tun hat …«
»Mit dem Gehörnten König?«, fragte Taran.
»Von ihm lass uns später reden«, sagte Dallben. Er schob einen schweren, in Leder gebundenen Folianten über den Tisch: das »Buch der Drei«, wie er es nannte. Daraus pflegte er dem Jungen gelegentlich vorzulesen und Taran war davon überzeugt, dass alles darin verzeichnet stand, was zu wissen man sich nur wünschen konnte.
»Wie ich dir früher schon dargelegt habe«, fuhr Dallben fort, »ist unser Prydain ein Land, das aus zahlreichen kleineren Königreichen besteht. Deshalb gibt es da viele Könige – und natürlich auch viele Heerführer, die den Befehl über ihre Krieger haben.«
»O ja«, sagte Taran eifrig. »Über sie alle herrscht Hochkönig Math, Sohn des Mathonwy aus dem Hause Don. Sein Feldherr, Fürst Gwydion, ist der mächtigste Held in Prydain. Ihr habt mir von ihm erzählt, und ich weiß …«
Dallben unterbrach ihn und sprach: »Es gibt andere Dinge, von denen du nichts weißt. Zurzeit gilt mein Augenmerk mehr dem Reich des Todes. Annuvin ist es, was mich beschäftigt.«
Taran erschauderte, als er den Namen hörte. Selbst Dallben hatte ihn nur wispernd auszusprechen gewagt.
»Du musst wissen«, fuhr er schnell fort, »dass Annuvin nicht nur ein Land des Todes ist, sondern zugleich eine Schatzkammer, die außer Gold und Edelsteinen viele andere wertvolle Dinge enthält – Dinge, die der Menschheit zu großem Vorteil gereichen könnten. Vor langer Zeit haben Sterbliche diese Schätze besessen. Mit List und Tücke aber hat König Arawn, der Herr von Annuvin, sie Stück um Stück zu seinem eigenen bösen Nutzen an sich gebracht. Einige dieser Schätze hat man ihm später wieder abgerungen, obgleich sie tief in Annuvin versteckt lagen, wo König Arawn sie eifersüchtig bewachen ließ.«
»Nur gut, dass Prydain nicht auch in Arawns Gewalt ist!«, sagte Taran.
»Dafür sollten wir dankbar sein«, meinte Dallben. »Arawn hätte längst auch in unserem Land die Herrschaft an sich gerissen, wenn nicht die Söhne des Hauses Don aus dem Geschlecht des Sonnenkönigs Belin uns beschützten. Vor langer Zeit kamen sie aus dem Sommerland nach Prydain gezogen, und sie fanden die Gegend hier reich und angenehm, obwohl die Menschen bei uns auch nicht besser waren als anderswo. Hoch droben, im Norden des Landes, haben sie eine starke Festung errichtet. Sie liegt in den Adlerbergen bei Caer Dathyl. Von dort aus haben sie dazu beigetragen, wenigstens einen Teil der Schätze zurückzugewinnen, die Arawn den Menschen gestohlen hat. Und von dort aus behüten sie unser Land vor ihm.«
»Dem Schicksal sei Dank, das sie nach Prydain geführt hat!«, rief Taran aus.
»Ja und nein«, sagte Dallben mit schiefem Lächeln. »Unsere Leute verlassen sich allzu sehr auf die Stärke des Hauses Don, besonders in letzter Zeit. Hochkönig Math und Fürst Gwydion, beide Abkömmlinge jenes ruhmreichen Geschlechts, sorgen dafür,
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