Taran Bd 1 - Das Buch der Drei
und rauschen. »Was das wohl sein mag?«
»Lass uns herausfinden, was es ist!« Eilonwy stupste ihn in den Rücken. »Vorwärts, geh du voran!«
Der Nebenstollen war enger und niedriger als der Hauptgang und führte noch tiefer hinab in den Berg. Taran folgte ihm langsam und vorsichtig. Misstrauisch setzte er Fuß vor Fuß, er hatte genug von dem einen Sturz in die Tiefe.
Das Wispern und Rauschen ging in verhaltenes Wehklagen über. Es hörte sich an, als ob jemand an menschlichen Stimmen zupfte, die man zu Saiten gesponnen und straff gespannt hatte. Eisige Luft strich den Gang herauf, brachte Seufzer und dumpfes Gemurmel mit. Irgendwo in der Tiefe des Berges knirschte und kreischte es, als ob Schwerter am Fels gewetzt würden. Taran spürte, wie ihm die Hände zitterten. Er zögerte einen Augenblick, winkte Eilonwy, hinter ihm stehen zu bleiben, flüsterte: »Gib mir das Licht und warte hier!«
»Ob es Geister sind?«, fragte Eilonwy. »Leider haben wir keinen Besen, auf den ich spucken könnte. Ein besseres Mittel um sich vor Geistern zu schützen, gibt es nicht. Aber vielleicht ist es bloß der Wind.«
»Der Wind? Woher sollte denn hier ein Wind kommen?«, fragte Taran. »Aber kann sein, dass du recht hast. Vielleicht gibt es da irgendwo eine Öffnung …« Entschlossen, sich von den gespenstischen Stimmen nicht bange machen zu lassen, beschleunigte er den Schritt. Eilonwy folgte ihm, ohne sich im Geringsten darum zu scheren, dass er es ihr verboten hatte.
Das Ende auch dieses Stollens war bald erreicht. Wiederum standen die beiden vor einer Sperre aus übereinander geschichteten Steinblöcken. Diesmal entdeckten sie einen Durchschlupf darin. Taran überwand seine Furcht. Auf dem Bauch kriechend, schob er sich unter die Sperre durch. Eilonwy folgte ihm.
Sie kamen in eine geräumige Felsenhöhle mit niedriger Decke. Die klagenden Stimmen erschollen nun lauter als je zuvor. Tarans Stirn war ungeachtet des kalten Luftzuges nass von Schweiß. Die Kugel emporhebend, trat er weiter vor. Nun erkannte er in der Dämmerung Schilde, die von den Wänden herabhingen. Darunter gewahrte er ganze Stapel von Schwertern und Speeren. Sein Fuß stieß an etwas Hartes. Er beugte sich vor – und fuhr erschaudernd zurück. Ihm zu Füßen lag der verdorrte Leichnam eines Mannes. Ein Krieger in voller Rüstung war es. Neben ihm lag ein zweiter, daneben ein dritter, ein vierter – einige zwanzig im Ganzen. In ihrer Mitte ruhte auf steinernem Sarkophag eine schattengraue Gestalt.
Eilonwy schenkte den toten Kriegern bloß einen flüchtigen Blick, etwas anderes zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. »Wenn Achren das wüsste!« Staunend wies sie auf ganze Berge von Otterfellen und Dutzende irdener Krüge, aus denen Juwelen hervorquollen. Kostbarer Zierat funkelte von den Helmen und Schilden. Eine Anzahl aus Weidenruten geflochtener Körbe floss über von Armreifen, Ringen und glitzernden Halsketten.
»Das hätte sie längst herausgeholt, wenn sie davon gewusst hätte!«, meinte Eilonwy. »Achren ist verrückt nach Geschmeide. Sie kann nicht genug bekommen davon, obwohl es ihr gar nicht besonders steht.«
Über die toten Krieger hinwegsteigend, näherte Taran sich der Gestalt auf dem Sarkophag. Es stand für ihn außer Zweifel, dass sie sich hier in der Gruft jenes großen und mächtigen Herrschers befanden, der Spiral Castle vor Zeiten erbaut hatte. Reiche Gewänder umhüllten den Leichnam des Königs, Perlen und Edelsteine zierten den breiten Gürtel. Mit seinen Knochenfingern umfasste der Tote den reich mit Juwelen besetzten Griff seines Schwertes, als sei er bereit, es im nächsten Augenblick aus der Scheide zu ziehen.
Betroffen wich Taran ein Stück zurück. Der tote König, so schien es ihm, blickte ihn warnend an: Wehe dem, der es wagen sollte, ihm seine Schätze zu rauben!
Als Taran sich umdrehte, traf ihn ein Windstoß. »Ich glaube, hier ist ein Durchgang!«, rief er. Er lief in die Richtung, aus der sie noch immer die Stimmen der Geister vernehmen konnten. Dicht über dem Boden öffnete sich ein Stollen. Er spürte den frischen Luftzug, der ihm daraus entgegenwehte, und sog seine Lungen voll. »Mir nach!«, rief er Eilonwy zu. Er riss einem der toten Krieger das Schwert aus den Fäusten und kroch in den Stollen.
Der Gang war entsetzlich eng, weit enger, als Taran befürchtet hatte. Auf dem Bauch liegend, kämpfte er sich hindurch. Eilonwy folgte ihm keuchend und prustend nach. Auf einmal ließ sich ein neuer Ton
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