Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt
haben ein Wettkriechen veranstaltet. Es war … ein Unentschieden.«
Der Wald war wieder sicher, und die Tiere waren froh, wieder aus ihren Verstecken hervorkommen zu können. Endyrnion der Adler trug die verletzte Krähe zu Medwyns Tal, wo sie versorgt und gepflegt werden konnte, bis ihr Flügel verheilt war.
»Ah, Kadwyr, alter Spitzbube, ich hatte nicht erwartet, dich so bald wieder hier zu sehen«, sagte Medwyn, nachdem die Krähe ihm alles eingestanden hatte, was im Wald geschehen war. »Dein Flügel wird heilen, und du wirst dich in ein neues Abenteuer stürzen. Doch wollen wir hoffen, dass du das nächste Mal deinen Freunden helfen kannst, wie sie dir geholfen haben.«
»Ich werde bestimmt nie wieder über eine Spinne lästern«, sagte Kadwyr geknickt. »Ich werde nie wieder eine Schildkröte foppen. Und nie wieder eine Mücke ärgern. Aber – aber, andererseits«, fuhr er fort, und seine Augen leuchteten auf, »wenn ich nicht gewesen wäre – ja, ich! Ich war’s, der den Jäger zu dieser wilden Jagd verleitet hat. Ich war’s, der den Wald gerettet hat!«
Kadwyr krakeelte und kluckte, nickte mit dem Kopf und schnappte mit dem Schnabel, höchst zufrieden mit sich selbst.
»Vielleicht hast du das wirklich«, antwortete Medwyn sanft. »Aber wie dem auch sei, geh in Frieden, Kadwyr. Die Welt hat Platz genug für eine übermütige Krähe.«
Das Schwert
ls Rhitta zum König von Prydain gekrönt wurde, gab man ihm das große Schwert Dyrnwyn, das schönste, das je geschmiedet ward, zum Zeichen seiner Herrschaft. Sein Heft war mit Juwelen besetzt, seine Klinge auf eine geheime Art geschmiedet, deren Kenntnis seit Langem verloren ist. Auf seiner Scheide waren diese Worte eingraviert: Dyrnwyn ziehe nur, wer da königlichen Geblüts ist, zu herrschen damit, zu schlagen das Böse. Wer immer es zieht in edler Absicht, wird sogar den Fürsten des Todes bezwingen. Von Dyrnwyns Geschichte und Herkunft war wenig bekannt. König Rhydderch Hael, der Vater König Rhychs und Großvater Rhittas, hatte es als Erster getragen, und es hieß, ein tiefer Zauber sei darauf gelegt worden. So trug Rhitta nun seinerseits Dyrnwyn als Waffe der Macht und des Schutzes für das Land.
Eines Tages ritten Rhitta und seine Edlen zur Jagd aus. Bei der Verfolgung der Beute galoppierte Rhitta über das Feld des alten Schäfers Amrys, und durch ein Missgeschick zerbrach er das Tor der Schafhürde.
Bestürzt rief Amrys den König an: »König, ich bitte Euch, lasst mein Tor wieder richten. Meine Arme sind zu schwach, meine Hände zittern, und ich habe keine Kraft, neue Pfosten einzurammen und es instand zu setzen.«
In seinem Eifer, der Jagdgesellschaft zu folgen, antwortete Rhitta eilig:
»Schäfer, das ist nicht der Rede wert. Du hast mein Wort, dass es gerichtet wird.«
Mit diesen Worten, da er sah, dass seine Edlen ihm bereits voraus waren, gab Rhitta seinem Pferd die Sporen und setzte ihnen nach. Den ganzen Tag jagte er, und am Abend ritt er müde zu seiner Burg zurück. Dort warteten seine Ratgeber mit solch dringenden Geschäften und so vielen drängenden Fragen auf ihn, dass er sein Versprechen an den Schäfer vergaß.
Am nächsten Morgen jedoch, als Rhitta zur Falkenjagd ausritt, stand am Tor der Schäfer mit einem Lämmchen auf den Armen.
»König, richtet mein Tor«, rief Amrys und klammerte sich an Rhittas Steigbügel. »All meine Schafe sind schon ausgebrochen, alle bis auf dieses eine Lamm«,
»Habe ich dir nicht mein Wort gegeben?«, antwortete Rhitta scharf. Er war wütend auf sich selbst, weil er es vergessen hatte, doch noch wütender darüber, dass der Schäfer es wagte, ihn vor seinen Edlen zurechtzuweisen. »Diese Kleinigkeit wird schon rechtzeitig in Ordnung gebracht werden. Und jetzt behellige mich nicht mehr damit.«
Der Falke auf der Faust des Königs schlug ungeduldig mit den Flügeln. Mit einem Tritt befreite Rhitta seinen Steigbügel aus der Hand des Schäfers, rief seiner Jagdgesellschaft zu, ihm zu folgen, und sprengte davon.
Am Abend jenes Tages feierte Rhitta in seiner großen Halle. Es gab reichlich zu essen, und der Wein floss in Strömen. Bei dem vielen Gelächter und Geprahle seiner Krieger und der Musik seiner Harfner hatte Rhitta keinen Gedanken an sein Versprechen gegenüber dem Schäfer übrig.
Am nächsten Tag hielt Rhitta mit all seinen Ratgebern und seinem Heerführer Hof, um hohe Politik und Staatsgeschäfte zu erwägen. Mitten in der Versammlung drängte sich Amrys durch die Reihen der
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