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Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers

Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers

Titel: Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies , Bernd
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Himmel aufstieg, den Zenit überschritt und sich langsam gen Westen neigte. Tatsächlich mehrten sich nach und nach die Getreuen Iegis. Meist war es nur einer, der sich, an Rüstzeug und Waffen tragend, was er eben besaß, auf einem Greifen ihnen anschloss, manchmal auch ein Paar oder eine kleine Gruppe. Fast alle Neuankömmlinge schienen noch jung zu sein, vom Idealismus getrieben oder dem Wunsch nach Rebellion gegen die Herrscher von Airianis. Und bemerkenswerterweise kamen auch einige Frauen, mit Lederharnischen am Leibe, die ihnen sichtbar nicht passten, aber in ihren Augen blitzten Trotz und Entschlossenheit, während sie an Iegi vorüberritten, um sich ihm anzuschließen, so als erwarteten sie, dass er sie wieder nach Hause schickte. Aber das tat er nicht.
    So wuchs das schweigsame Heer stetig weiter an, und so sehr Auril die eiserne Selbstbeherrschung der Vogelmenschen überraschte, die kein Scherzen, kein Rufen und kein Lachen hören ließen, so sehr überraschte sie die scheinbar stillschweigende Übereinkunft der übrigen Stadtbewohner, die zunehmend große Schar, die sich vor ihren Augen versammelte, vollkommen zu missachten. In Fuencarral und mehr noch in Menschenstädten wie Agialon und Bristaja hätte ein derartiges Schauspiel Dutzende, ja Hunderte von Schaulustigen angezogen – von der Garde des Stadtverwalters ganz zu schweigen. Aber der Stolz – oder die Arroganz? – der Vogelmenschen schien ihnen zu verbieten, dem Aufstand ihrer Jugend gegen die Edikte des Rats Beachtung zu schenken.
    Gegen Nachmittag war ihre Zahl auf etwa fünfhundert Greifenreiter angestiegen, und damit schienen alle freiwilligen Gefolgsleute Iegis versammelt, denn der bislang stetig tröpfelnde Strom an Neuankömmlingen war versiegt. Damit hatten sich weit mehr Taijirin eingefunden, als Auril für möglich gehalten hätte, aber natürlich dennoch weit weniger, als das Volk der Vogelmenschen aufzubieten imstande gewesen wäre, wenn es sich zum Bündnis mit den Alben und Menschen entschlossen hätte.
    Sie lehnte sich aus dem Sattel heraus dem Prinzen entgegen. »Ich denke, wir sollten reiten, Iegi. Es wird niemand mehr kommen.«
    Der Vogelmensch nickte. »Ja, reiten wir.« Er ließ sein Reittier ein paar Schritt nach vorne traben, wendete es dann, erhob sich aus dem Sattel und schrie mit lauter Stimme. »Krieger und Kriegerinnen der Taijirin! Ich bin stolz auf jeden Einzelnen von Euch, der meinem Ruf gefolgt ist. Ich könnte nun an die mutige Rede meiner Gefährtin Auril vom Volke der Alben anschließen, die jene gestern vor dem Rat gehalten hat. Ich könnte über die Tugenden der Taijirin sprechen, die wir hier und heute wiederentdecken. Doch die Zeit drängt, daher will ich kein Wort zu viel verlieren. Vielmehr sollen Taten sprechen. Eilen wir also jenen zu Hilfe, die unsere Hilfe am nötigsten haben und …«
    »Iegi!«, unterbrach ihn Auril. »Dreht Euch um und schaut Euch das an.«
    »Was?« Der Prinz hielt verwirrt in seiner Ansprache inne und tat, wie ihm geheißen.
    Und seine Augen wurden groß!
    Denn just in diesem Moment erhob sich von der Himmelszitadelle, dem am höchsten liegenden Bauwerk von Airianis, von dem sie hier unten nicht viel mehr als die Kuppeln der breiten Türme hatten sehen können, ein gewaltiger Schwarm Greifenreiter. Auril versuchte, ihre Kopfstärke zu schätzen, doch sie verlor rasch den Überblick, während die Wolkenfront aus Soldaten in einer weiten Formation aufgefächert den Himmel über ihnen verdunkelte.
    »Dreitausend. Eher mehr«, brummte Karnodrim neben ihr. »Das war es dann wohl mit dem großen Ritt der Greifenreiter.«
    Auch die anderen Getreuen Iegis hatten den Aufmarsch der Garde von Airianis bemerkt, und nun breitete sich doch Unruhe unter ihnen aus. Unschlüssig, ob sie ausbrechen oder ausharren sollten, ließen sie den Augenblick ungenutzt verstreichen, bis die Armee heran war und sich um sie herum in Stellung gebracht hatte.
    Aus dem Pulk der Angreifer löste sich ein Mann, der in Aufzug und Würde Iegi glich wie der Vater dem Sohne. Und in der Tat handelte es sich um den Herrscher der Vogelmenschen.
    »Ich sehe, du hast einige aus unserem Volk gefunden, die bereit sind, deinem Ruf zu folgen, mein Sohn«, dröhnte die Stimme König Ieverins zu ihnen herüber, als sein Greif auf einem dünnen Wolkenband langsam näher schritt, gefolgt von einem weiteren, auf dem Hauptmann Nirwin saß, gekleidet in eine prunkvolle Rüstung.
    »Was willst du hier, Vater?«, rief Iegi zurück.

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