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Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers

Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers

Titel: Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies , Bernd
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kein Seil, um über die Mauer zu klettern.«
    Kiesel wiegte den haarlosen Schädel und rief dann einmal mehr: »Kommt.« Er stapfte am Fuße der Mauer entlang, und dabei glitt seine linke Hand über den kalten Fels, als wolle der Unterirdische ihn erkunden. Nach ein paar Schritten blieb er unweit des ersten Wachturms stehen. Die Mauer machte hier einen leichten Knick nach innen, sodass man ihre Position vom Tor aus nicht mehr sehen konnte. Kiesel legte beide Hände auf das Gestein.
    »Was soll das?«, flüsterte Tarean, der ihm mit Bromm nachgeschlichen war.
    Der Steinerne sah ihn aus unergründlichen, blau leuchtenden Augen an. »Eingang«, sagte er.
    »Was? Ich sehe keinen Eingang.«
    Kiesel presste nur die Hände auf die Mauer – und plötzlich versanken sie darin wie in feuchtem Lehm. Der Steinerne machte langsame, nach außen kreisende Bewegungen mit den Armen, und der Fels schien zunehmend an Festigkeit zu verlieren. Erst in zähen Tropfen, dann in einem immer dünnflüssiger werdenden Rinnsal floss der Stein entlang der Arme des Steinernen zu Boden. Kiesel verschob, knetete und verstrich den Stein wie ein Kind, das in einer Schlammlache spielt, und nach einer kurzen Weile hatte er eine mannshohe Öffnung in der gut zwei Schritt dicken Burgmauer geschaffen, deren Eingang und Wände aus glattem, geschmolzenem Stein bestand. Tarean hatte diese seltsame Gesteinsbeschaffenheit schon in Tiefgestein bewundert, aber er war davon ausgegangen, dass es sich um ein natürliches Phänomen handelte. Nie wäre er auf den Gedanken gekommen, dass der wie ausgewaschen wirkende Fels auf die wundersamen Fähigkeiten der Bewohner dieser unterirdischen Welt zurückgehen könnte.
    Der Unterirdische trat zurück, schüttelte die Arme aus und wartete einen Moment, derweil der Junge regelrecht dabei zusehen konnte, wie der Stein hart wurde. Dann blickte Kiesel sie ruhig und, wie Tarean sich einredete, mit stummem Triumph an. »Eingang.«
    »Unglaublich«, murmelte Bromm staunend. »Dieser Bursche hat einen feinen Trick auf Lager.«
    »Lasst uns gehen«, drängte Tarean, dem zunehmend unwohl zumute wurde, je länger sie hier draußen sozusagen auf dem Präsentierteller standen. Er schob sich durch die Öffnung im Fels, und der Werbär folgte ihm. Der Steinerne bildete das Schlusslicht, und während er langsam rückwärts schritt, streckte er erneut die Hände aus und zog mit ausholenden Bewegungen das zähflüssige Mauerwerk wieder zusammen, bis die Öffnung, durch die sie ins Innere der Burg gelangt waren, wieder völlig verschwunden war. Das Mauerwerk wirkte an dieser Stelle nun zwar so, als sei es unter dem Einwirken enormer Hitze regelrecht zerlaufen, aber in der Dunkelheit würde das hoffentlich niemand bemerken.
    Sie standen nun im Schatten eines niedrigen Bauwerks, dessen Zweck auf den ersten Blick nicht festzustellen war, und lugten um die Ecke hinein in den Burghof. Ihre Blicke huschten hinüber zum Haupthaus, auf dessen fünfeckiger Basis der gewaltige Turm saß, der das dunkle Herz von At Arthanoc bildete.
    Der Hof war völlig leer. Kein Wachposten drehte seine Runde, kein Bediensteter ging in eiligen Geschäften seines Weges, kein einziger Wolfling saß im Lichtkreis einer der wenigen Fackeln und döste vor sich hin. Die Treppen, die Wehrgänge, die Wachtürme – nirgendwo war eine lebende Seele zu sehen. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, strömte der Ort ein überwältigendes Gefühl unsichtbarer Bedrohung aus.
    »Wo sind sie alle hin?«, fragte Tarean leise.
    »Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache«, brummte der Werbär, und seine Ohren zuckten nervös.
    »Falle«, wiederholte Kiesel das entscheidende von Bromms vorherigen Worten. Der Steinerne strahlte eine so stoische Ruhe aus, dass Tarean sich fragte, ob er überhaupt begriff, in welcher Gefahr sie sich befanden.
    Sie sahen sich an, und Bromm zog eine Grimasse. »Was sollen wir machen? Umkehren und nach Hause gehen? Wohl kaum.«
    Tarean , flüsterte auf einmal eine Stimme im Geist des Jungen. Erschrocken zuckte er zusammen.
    »Was hast du?«
    Tarean spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Tarean. »Er weiß, dass ich hier bin«, hauchte er ungläubig.
    »Wovon sprichst du?«, zischte Bromm, während Kiesel ihn nur mit großen Augen anstarrte.
    »Calvas. Er weiß, dass ich hier bin, in seiner Burg.«
    Tarean, komm zu mir.
    »Das ist Unsinn«, knurrte Bromm, aber er ließ einmal mehr einen forschenden Blick über die Wehrgänge

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