Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
aus. »Sagt dir der Name Fenrir etwas?«, raunte er dann.
Der Junge vergaß vor Verblüffung für einen Moment ihre Scharade. »Fenrir? So hieß der nondurische Krieger, den ich auf meiner Reise nach At Arthanoc bei den Geächteten in Thal traf!«
»Er ist …« Der General stemmte das Fass mit beiden Händen über den Kopf und schmetterte es dann zu Boden. »… mein Bruder.« Der Nondurier blickte ihn eindringlich an. »Und jetzt rede, denn ich bin der Einzige, der euch dabei helfen kann, dem Schicksal zu entrinnen, das die Goldenen Klingen für euch vorgesehen haben.«
Tarean seufzte innerlich. Nun, schlimmer kann es eigentlich nicht werden, wenn ich ihm die Wahrheit erzähle … Und so umriss er dem nondurischen General unter weiteren Schmerzensschreien und reichlich Gepolter die Geschehnisse der letzten Wochen, wie ihn der Ruf zurück nach At Arthanoc gelockt hatte, er dort auf Kesrondaia und den Geist von Calvas gestoßen war und mit welchem Auftrag ihn die Kristalldrachin im Anschluss an die Flucht des Hexers nach Süden geschickt hatte.
Als er geendet hatte, schüttelte Jaular fassungslos den Kopf. »Diese Geschichte ist so verrückt, dass man sie nicht glauben möchte. Andererseits kann sich doch kein Mensch so etwas ausdenken. Ich werde noch einmal mit Fenrir sprechen. Wenn er für dich bürgt, werde ich euch helfen, heute Nacht zu fliehen.«
»Fenrir ist hier in der Stadt?«, fragte Tarean erstaunt. Irgendwie hatte er ihn nach wie vor bei Endhréan Falkenauge und seinen Widerstandskämpfern in Thal vermutet.
»Ja. Er kehrte vor drei Monden zurück und lebt jetzt als Schmied in Durai.«
»Dann sagt ihm, Bruder Lanfert mag nun Frieden finden, denn mein Vater hat ihn auch gefunden. Das dürfte ihn davon überzeugen, dass ich der bin, der ich zu sein behaupte.«
Der Nondurier nickte. »Gut. Und jetzt müssen wir dich noch ein bisschen herrichten.« Er nahm einen der Weinbecher und schüttete ihn in Tareans Gesicht. Dann ließ er den Jungen sich in den auf der Tischplatte verteilten Essensresten suhlen. Schließlich zog er ihm das Hemd aus der Hose und boxte ihm spielerisch in die Magengrube.
Tarean ächzte.
»Gut so«, ermunterte ihn der General knurrend. »Humpeln, klagen und eine Hand vors Gesicht, damit die Wachen nicht sehen, dass unter dem ganzen Dreck kein Blut ist.«
»Eine Frage noch, General Jaular«, hielt der Junge den Nondurier auf, als dieser nach dem Riegel griff, der die Tür versperrte. »Warum tut Ihr das? Warum helft Ihr uns?«
Das Gesicht des anderen verdüsterte sich. »Ich kann Unrecht nicht leiden, vor allem nicht, wenn es direkt unter meiner Nase geschieht. Männer wie der derzeitige Padeschdah und die Goldenen Klingen richten viel Schaden an und nur um ihres eigenen Vorteils willen. Noch ist es zu früh, ihnen offen die Stirn zu bieten. Aber wenn ich im Geheimen etwas bewirken kann, so versuche ich es. Darin sind Fenrir und ich uns sehr ähnlich.«
»Danke«, sagte Tarean.
»Danke mir erst, wenn ihr Durai heil hinter euch gelassen habt«, knurrte der General. Dann öffnete er die Tür und zog den Jungen grob auf den Gang hinaus. »Das soll dir eine Lehre sein, elende Bleichhaut, den Padeschdah für dumm zu verkaufen«, tönte er.
Draußen standen mittlerweile mehr als ein halbes Dutzend nondurischer Krieger mit Kurzbögen versammelt, die mit angespanntem Blick auf die Zellentür starrten, hinter der sich Tareans Gefährten befanden.
»Was ist das denn? Habt ihr etwa Angst vor diesem Lumpenpack?«, schrie Jaular, dann wechselte er in die Mundart der Nondurier und ließ eine Schimpftirade hören, bei der sich die Ohren der Wachen flach an die haarlosen Schädel legten. Schließlich ließ er die Zellentür öffnen, hinter der Bromm, Auril, Iegi und Haffta angespannt warteten. Für einen Lidschlag schien es, als wollten sie einen Ausbruch versuchen, doch ein rascher Blick auf die gespannten Bögen hielt sie zurück. Und dann wurden sie von Tarean abgelenkt, der nach einem heftigen Stoß Jaulars in den Raum taumelte und dort zusammenbrach. Hinter ihm krachte die Tür ins Schloss.
»Tarean!«, rief Auril entsetzt. »Was haben diese Hunde dir angetan?«
Der Junge rappelte sich langsam auf und wischte sich, zufrieden grinsend, die Essensreste aus dem Gesicht. »Nichts«, verkündete er. »Aber ich glaube, wir haben einen neuen Verbündeten gewonnen.«
17
SIEBEN REITEN SÜDWÄRTS
Der Inhalt der Botschaft war ebenso knapp wie überflüssig. »Seid bereit«, stand in
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