Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
ihren durchscheinenden Leib und brachen sich daran glitzernd und schimmernd in allen Farben des Regenbogens. Mit einem kraftvollen Sprung schwang sich Kesrondaia in die Lüfte. Tarean hätte erwartet, dass sie sich ihren Gefährten anschloss, die noch immer im Kreis oberhalb des Kraters ausharrten. Doch stattdessen wandte sie sich der Anhöhe zu, auf der er und seine Freunde standen.
Haffta keuchte leise, und Bromm trat unbehaglich von einem Bein auf das andere.
»Was geschieht nun?«, fragte Auril leise.
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Tarean. »Ich nehme an, Kesrondaia will sich bei uns bedanken.«
Sie traten ein paar Schritte zurück, um der Kristalldrachin Platz zu machen, die tatsächlich direkt bei den Gefährten landete. Majestätisch ragte ihr riesenhafter Leib, gegen den selbst der eindrucksvolle Körper Thavazarons verblasste, vor ihnen auf, und Tarean bemerkte mit Staunen, dass alle Anzeichen ihrer Gefangenschaft, die stumpfen, von Rissen übersäten und gesplitterten Schuppen, vollständig verschwunden waren. Die vereinte Kraft der anderen Drachen hatte allen Makel von ihr abgewaschen wie Wasser den Staub von einem Kristallpokal, und Kesrondaias Körper strahlte und funkelte wieder, dass man kaum glauben mochte, dass sie die letzten hundert Jahre in Ketten verbracht hatte.
»Tarean, Sohn des Anreon. Du hast dein Versprechen gehalten«, erschallte die Stimme der Kristalldrachin in seinem Geist. »Du hast die Meinen gefunden, befreit und zu mir zurückgebracht. Dafür möchte ich dir danken.« Sie wandte den Kopf und nickte Auril, Bromm, Haffta und Iegi zu. »Und auch euch möchte ich meinen Dank aussprechen. Ihr habt Furchtbares erlebt und Schreckliches erlitten. Doch ihr habt nicht aufgegeben, und das werde ich euch niemals vergessen. Ihr alle seid würdig, den Titel zu empfangen, den ich euch zu verleihen gedenke, wenn ihr bereit seid, ihn anzunehmen.«
»Wovon sprecht Ihr?«, fragte Tarean.
Kesrondaia blickte ihn aus großen, weisen Augen an. »Der erste wichtige Schritt, um unsere Welt von den Schrecken zu heilen, die sie erlitten hat, und vor denen zu schützen, die noch kommen mögen, ist getan. Die Kristalldrachen sind wieder frei. Doch das reicht nicht. Als Nächstes muss der Orden der Kristalldrachenritter wieder auferstehen. Daher möchte ich dich, Tarean, den Erben der einstigen Kristalldrachen, zum ersten der neuen Ritter dieses Ordens ernennen. Deine Freunde aber, die tapfere Auril, der unbezwingbare Bromm, die sanftmütige Haffta und der tollkühne Iegi, sollen die nächsten vier werden. Gemeinsam sollt ihr ausziehen, um all jene Ritter wieder zusammenzurufen, die in den hundert dunklen Jahren vom Glauben abgefallen sind oder gezwungen waren, vor Calvas’ Schergen zu fliehen.«
Tarean blickte die Kristalldrachin wie vom Donner gerührt an. Nie hätte er gedacht, eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten zu dürfen und wie dieser ein Ritter des Kristalldrachenordens zu werden. Und nun unterbreitete ihm die Höchste aller Kristalldrachen selbst das Angebot. »Das ist … eine außerordentlich große Ehre«, stammelte er.
Neben ihm räusperte sich Bromm. »Tarean.«
Der Junge blickte zu dem Werbären hinüber. »Hm?«
»Es liegt noch eine Aufgabe vor uns. Gongathar. Du hast es mir versprochen.«
»Und was ist mit Moosbeere?«, fragte Auril. »Wolltest du sie nicht nach Hause bringen?«
Tarean biss sich auf die Lippe. All das entsprach der Wahrheit. Aber wenn er jetzt Kesrondaias Angebot ablehnte, nur um seinen eigenen Verpflichtungen nachzugehen, setzte er womöglich das aufs Spiel, wonach er in all den Monden vor dem Hilferuf der Kristalldrachin so verzweifelt gesucht hatte: einen Pfad, der ihm den Weg in die Zukunft wies.
Doch Kesrondaia nahm ihm diese Sorge, als sie erneut das Wort ergriff. »Du musst dich nicht sofort entscheiden. Niemand von euch muss das. Ich gebe euch zwei Monde Zeit, um euren Entschluss zu fassen. Denn niemand außer euch soll von nun an Herr über euer Schicksal sein. Kehrt hierher zurück, an den Ort des neuen Bundes, wenn ihr bereit seid, Ritter der Kristalldrachen zu werden.«
»Ich danke Euch, Kesrondaia«, sagte Tarean.
Die Kristalldrachin schüttelte den Kopf. »Nein, Tarean. Du musst mir nicht danken. Du wirst mir niemals danken müssen, denn ich bin es, die in deiner Schuld steht. Und nun lebt wohl, ihr alle. Die Meinen und ich werden aufbrechen, um in die Welt hinauszufliegen und zu sehen, wie es unseren Kindern in der Zeit unserer
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