Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
dass es leichter und schneller gehen würde, sich einen Weg durch das Labyrinth zu bahnen, als mit Hilfe der Vogelmenschen von Kuppe zu Kuppe zu springen, zumal Hauptmann Iagiss ausgekundschaftet hatte, dass die Schluchten frei von Lava waren und dem Anschein nach recht gut begehbar.
Sie wandten sich nach links und eilten den steinigen Talgrund entlang, der zwischen steil aufragenden Felswänden in engen Windungen und scharfen Kehren stetig nach Osten führte. Immer wieder klafften Abzweigungen in den Wänden zu ihrer Linken und Rechten auf – meist schmale Spalten, mitunter aber auch breite Einschnitte – und lockten die Gefährten, in die Irre zu gehen. Doch Tarean vertraute auf den Wegfinder in seiner Hand und auf Moosbeere, die unablässig voraushuschte, um zu schauen, ob der Weg vor ihnen frei war.
Plötzlich drang ein Rumpeln an ihre Ohren, das sich von hinten näherte. Das Geräusch war zunächst so dumpf gewesen, dass sie ihm keine weitere Beachtung geschenkt hatten. Nun aber klang es irgendwie, als rolle eine Steinlawine in ihrem Rücken talabwärts und hole dabei langsam, aber unerbittlich auf.
»Was ist das?«, fragte Auril verwirrt und blickte mit unruhiger Miene über die Schulter.
»Ich schaue nach«, erbot sich Iegi, und bevor ihn Shariik oder einer der Soldaten aufhalten konnte, hatte er mitten im Lauf seinen Brullmantel abgestreift, die Flügel ausgebreitet und sich in die Höhe geschwungen.
»Iegi!«, schrie der Sohn Shiraiks zornig. Er fluchte und folgte ihm.
»Du bleibst hier!«, befahl Hauptmann Iagiss seinem letzten Gardisten. Danach schloss auch er sich dem Prinzen und seinem widerwilligen Aufpasser an, während der Soldat nur nickte und ergeben die drei grauen Ledermäntel aufsammelte.
Von vorne schwirrte Moosbeere heran. »Das ist eine Sackgasse«, verkündete das Irrlicht.
»Also nach rechts«, entschied Tarean auf Geratewohl und bog in einen schmalen Durchgang ein, der von dem Tal wegführte. Die anderen blieben dicht hinter ihm. Sie folgten dem Spalt vielleicht hundert Schritt weit, waren dann gezwungen, über einige Felsbrocken zu klettern, die unweit des Ausgangs herabgestürzt waren und den Weg versperrten, und erreichten schließlich einen etwas tiefer gelegenen Einschnitt, der vor langer Zeit das Flussbett eines Lavastroms gewesen sein mochte und in sanftem Gefälle schnurgerade in südöstliche Richtung führte.
Das Rumpeln wurde nun zunehmend lauter, und es hallte von den hohen Wänden des Felsenlabyrinths wider, sodass man unmöglich sagen konnte, aus welcher Richtung es eigentlich kam – ganz zu schweigen davon, was es damit auf sich hatte.
Die Antwort auf die zweite Frage wurde ihnen allerdings schneller beantwortet, als ihnen lieb war, denn in diesem Moment kamen Iegi, Shariik und Iagiss am oberen Rand der Klamm in Sicht und schlossen im Sturzflug zu ihnen auf. »Ich glaube, es sind die Steinernen«, berichtete Iegi atemlos. »Sie haben ihre Körper irgendwie verändert und rollen nun, Felsbrocken gleich, hinter uns her.«
»Ich wusste nicht, dass sie das können«, murmelte Tarean verblüfft.
»Wie nah sind sie schon?«, wollte sein Zwilling wissen.
»Zu nah«, sagte Iegi düster. Er deutete mit einer Kopfbewegung zu der Anhöhe am nordwestlichen Ende der Schlucht. »Da kommen sie.«
Die Köpfe der anderen ruckten herum, und auf ihren Mienen breitete sich Erschrecken aus, als sie sahen, wie eine wahre Flut übermannsgroßer schwarzer Felsbrocken in Sicht kam und sich mit nahezu ohrenbetäubendem Donnern und Poltern in die Schlucht ergoss. Tarean hatte keine Ahnung, wie es die Lavasteinernen angestellt hatten, ihre plumpen Körper so zusammenzufalten, dass diese ein annähernd kugelförmiges Aussehen annahmen. Doch offenbar war es ihnen gelungen, und das machte aus den behäbigen Kolossen, denen sie unter normalen Umständen ohne Schwierigkeiten hätten entkommen können, eine gefährlich schnell näher rückende Naturgewalt, die alles niederwalzte, was ihr in den Weg kam.
»Rennt!«, schrie Tarean, wirbelte herum und sprintete los. Er achtete nicht darauf, ob die anderen ihm folgten, denn jeder Augenblick mochte nun darüber entscheiden, ob sie aus diesem Felsenlabyrinth entkamen, bevor ihre Verfolger sie eingeholt hatten und schlichtweg überrollten. Doch jede Sorge wäre auch unnötig gewesen. Bereits nach wenigen Schritten schoss Haffta auf allen vieren an ihm vorüber, Bromm folgte ihr nur wenig langsamer, und auch Auril und sein Zwilling tauchten im
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