Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
sie den Schutzkreis um den Schlund errichteten. So besteht zumindest nicht die Gefahr, dass irgendein dahergelaufener Grawlschamane ungeahnte Fähigkeiten entwickelt. So.« Janosthin legte das Tuch, mit dem er Tareans Wunden gesäubert hatte, zur Seite. »Jetzt noch ein paar Verbände, und in ein paar Tagen sollte es dir wieder besser gehen.«
Der Junge gebot ihm mit einer Geste Einhalt. »Wartet. So viel Zeit habe ich nicht. Und obendrein steht mir ein besseres Heilmittel zur Verfügung.« Er stand auf und holte aus seiner Reisetasche Kinrain hervor. »Ein Amulett, das mir der Prinz von Airianis schenkte, von wo ich gerade komme.«
Janosthin nickte angemessen beeindruckt. »Ein Irrlicht, ein Runenschwert, ein Heilamulett – du reist mit wenig, doch um das wenige würde dich mancher Fürst beneiden.« Er ließ sich auf einem benachbarten Steinblock nieder, während sich Tarean Kinrain umhängte und es unter sein Hemd schob. »Aber nun verrate mir mal, was dich genau hierher geführt hat. Du sprachst von einer Vision und dass du nicht viel Zeit hast.«
Wieder zögerte Tarean, unsicher, wie weit er dem Setten trauen konnte. Andererseits würde es ihnen wohl kaum gelingen, die Trümmer von At Arthanoc auf der Suche nach einer geheimen Kammer zu durchkämmen, ohne dass der Hüter darauf aufmerksam wurde. Zudem mochte sich seine Kenntnis der Ruinen bei der Eingrenzung des Suchbereichs als hilfreich erweisen. Der Junge beschloss, so vage wie möglich zu bleiben. »Genau genommen war es Moosbeere, die in Airianis eines Nachts besagte Vision hatte, wobei es sich eigentlich weniger um eine Vision, als um einen Hilferuf handelte. Wir hörten eine Stimme in unseren Köpfen, die uns anflehte, hierherzukommen, um sie zu befreien. Der Ruf klang echt – deshalb kamen wir, so schnell wir konnten.«
Janosthin runzelte die breite Stirn. »Das ist seltsam. Hier lebt nichts mehr – sieht man von den Steinfexen und ein paar anderen Aasfressern ab. Ich bin nun seit fast sechs Monden hier. Ich müsste es doch wissen, wenn jemand geistige Hilferufe aussenden würde.«
»Könnte es nicht irgendeine unterirdische Kammer geben, die bislang nicht bemerkt wurde?«, hakte Tarean nach.
Der Sette ließ ein kurzes, zynisches Lachen hören. »Mit Sicherheit gibt es die. Aber schau dich um. Jeder Eingang in die Tiefe ist von Tonnen und Abertonnen Geröll bedeckt. Ich kenne eine Handvoll Zugänge zu kellerartigen Gewölben. Doch die führen alle nach wenigen Schritten ins Nichts, enden an Deckeneinstürzen oder waren niemals mehr als eine Vorratskammer ohne weitere Ausgänge.«
»Nun, das wäre schon ein Anfang«, meinte der Junge. »Könntet Ihr uns diese Zugänge zeigen? Vielleicht findet sich eine Geheimtür oder etwas Ähnliches, das uns den Weg zu unserer geheimnisvollen Gefangenen weist.«
»Natürlich«, erwiderte Janosthin mit einem Nicken. Dann warf er einen Blick zum Himmel, der sich bereits sichtlich verdunkelte. »Aber lasst uns dieses Unterfangen morgen beginnen, wenn die Sonne wieder scheint. Ich bin sicher kein furchtsamer Mann, aber diese Ruinen sind bei Nacht kein Ort, an dem man länger als nötig verweilen möchte. Und das sage ich nicht nur wegen der Steinfexe, die sich durch den Schutz der Dunkelheit dazu ermuntert fühlen könnten anzugreifen, selbst wenn ich bei euch bin. Nein, ich schlage vor, ihr kommt mit zu meiner Hütte und bleibt dort über Nacht. Und im Morgengrauen begeben wir uns auf die Suche. Aber versprecht euch nicht zu viel davon. Ich habe wirklich schon Tage damit verbracht, die Ruinen von At Arthanoc zu erforschen – einen anderen Zeitvertreib gibt es hier oben schließlich nicht. Und ich habe dabei keine einzige Geheimtür gefunden.«
»Wir werden sehen«, gab Tarean zurück. »Wo wohnt Ihr?«
Janosthin deutete über die Schutthügel hinweg. »Auf einer Anhöhe im Westen der Ruine. Es ist nicht weit. Dort können wir deinen Greifen versorgen, ich koche uns etwas, und danach erzählt ihr mir, was in der Welt da draußen so vor sich geht.«
Tarean lächelte in Erinnerung an sein eigenes Exil während der letzten sechs Monde. »Viel kann ich Euch dazu nicht sagen, aber das wenige, was mir bei den Vogelmenschen an die Ohren gedrungen ist, will ich gerne mit Euch teilen.«
Der Sette stand auf und klatschte in die Hände. »Prächtig. Also kommt.«
Tarean träumte.
Er lag auf einer hölzernen Pritsche in Janosthins Hütte. Der Sette hatte ihm das Lager in seinem Schlafgemach überlassen, da er selbst
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