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Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen

Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen

Titel: Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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und sprang auf. Mit raschen Schritten hatte er die Distanz zwischen ihnen überwunden und wollte nach dem Irrlicht greifen, um es davon abzuhalten, sich unwissentlich ins Unglück zu stürzen. Aber in dem Augenblick, in dem er Moosbeere berührte, gab es einen blendend hellen Blitz, und Tarean riss erschrocken den Arm vor die Augen.
    Als er ihn blinzelnd zurückzog, fand er sich auf einmal, wie schon in der Nacht der Sturmweihe, inmitten einer goldenen Lichtkugel wieder, und seine Rechte hielt Moosbeeres schlankes Handgelenk umfasst. Ihre helle Haut fühlte sich glatt und warm an.
    Mit milder Überraschung auf dem schönen Gesicht drehte sich seine Gefährtin um, und als sie ihn erkannte, schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. »Tarean.«
    »Was tust du hier?«, verlangte der Junge angespannt zu wissen.
    Die blauen Augen des Irrlichts glänzten – eine ferne Erinnerung des Fiebers, das in der Vogelmenschenstadt in ihnen geglüht hatte. »Ich weiß, wo Kesrondaia ist«, eröffnete sie ihm.
    »Was?!« Tarean riss die Augen auf. »Woher?«
    »Sie hat mich erneut gerufen.«
    Atemlos beugte sich Tarean vor. »Und wo ist sie?«
    Das Bild eines weißen Wirbelns, wie von Schnee, stieg vor seinem inneren Auge auf. Der Schlund …
    Tarean schluckte. »Das kann nicht sein. Die Steinernen hätten es gewusst.«
    Moosbeere schüttelte den Kopf. »Sie konnten es nicht wissen. Calvas hat sie zu gut vor den Augen anderer verborgen. Ihr Kerker liegt tief, und dunkle Magie schützt ihn vor Entdeckung durch jene, die der Hexer als seine Feinde gekannt hat.« Das Irrlicht lächelte beinahe spöttisch – ein ungewohnter Ausdruck auf ihrem Antlitz. »Mich kannte der Hexer offenbar nicht. Deshalb kann ich dich zu ihr führen. Zu Kesrondaia.«
    Der Junge spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. »Wie?«
    »Vertraust du mir?« Moosbeeres Augen bohrten sich in die seinen. Ein silberner Schimmer irrlichterte über das leuchtende Blau.
    Auf einmal kam es Tarean vor, als stünde er am Rand eines bodenlosen Abgrunds und befände sich nur noch einen falschen Schritt von einem langen, tödlichen Sturz in die Tiefe entfernt. Das ist kein Traum. Wir sind wirklich hier. Neben uns gähnt der Schlund, und er führt ins Nichts. Er spürte, wie ihm erneut die Angst in die Eingeweide kroch, ihm die Kehle zuschnürte, ihn lähmte. Vertraust du mir? Auch nach all den Monden war Moosbeere diejenige seiner Gefährten, die in Tareans Augen die meisten Geheimnisse in sich barg. Doch sie hatte ihr Leben für ihn aufs Spiel gesetzt und immer vorbehaltlos zu ihm gehalten. Wenn es jemanden gab, dem er bis ins Nichts folgen würde, dann war sie es. Stumm nickte er Moosbeere zu, und als reiche ihm das selbst nicht, zwang er seine Stimme zu einem einzigen, heiser geflüsterten Wort: »Ja.«
    Das Irrlicht lächelte zufrieden. Sie löste seine Hand von ihrem Handgelenk, an das sich der Junge unbewusst geklammert hatte, wie ein Ertrinkender an den sprichwörtlichen Strohhalm, dann glitt sie auf ihn zu und schlang ihm die Arme um den Leib. »Halt mich fest«, hauchte sie, und Tarean hatte den verwirrenden Eindruck, als sprächen zwei Stimmen aus ihr – Moosbeeres eigene und darunter eine zweite, uralt und machtvoll.
    Zitternd vor Anspannung kam er der Aufforderung nach. Ein silberweißes Flackern durchlief das goldene Strahlen, das sie beide umgab.
    »Jetzt schließ die Augen«, befahl das Irrlicht. »UND LASS DICH FALLEN.«
    Tarean gehorchte.
    Er konnte gar nicht anders. Die Stimme in seinem Kopf, auf einmal gewaltig und machterfüllt, zwang ihn regelrecht, die Kontrolle über seinen Körper aufzugeben. Er spürte, wie er den Boden unter den Füßen verlor, und dann schien er zu stürzen, endlos in eine unbekannte Tiefe hinein. Doch er sah keine Wände an sich vorbeihuschen, und er spürte keinen eisigen Wind, der an seinen Haaren und Kleidern zerrte. Ohne sich dessen wirklich bewusst zu werden, presste er die Augen zu, so fest er konnte, und hielt sich an Moosbeeres zierlichem Körper fest, der sich mit beruhigender Wärme an ihn schmiegte.
    »Schau mich an, Tarean«, flüsterte die Stimme im Dunkeln.
    Er öffnete die Augen – und schrak zurück, als ihm das verdorrte, eingefallene Antlitz eines Toten direkt ins Gesicht starrte, den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen.
    Mit einem unterdrückten Keuchen erhob er sich halb auf die Beine und taumelte zwei Schritte rückwärts, die Arme abwehrend ausgestreckt. Der Leichnam schien in der Luft zu schweben,

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