Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
des Verletzten herbei und sprangen ihn von allen Seiten an. Der Junge stöhnte gequält auf, als der Wadenbiss eines der kleinen Monster heiße Wellen des Schmerzes sein rechtes Bein emporsandte. Er geriet ins Wanken, als ihn gleichzeitig der steinerne Körper eines zweiten Kobolds von links rammte. Bleib stehen! Wenn du umfällst, bist du tot! , schrie eine Stimme in seinem Inneren panisch.
Wie ein verrückt gewordener Holzfäller hackte Tarean auf die grauen Gestalten ein, die ihn geifernd und grunzend bedrängten. Er trat nach ihnen – ungeachtet der Schmerzen in seinen Füßen – und suchte gleichzeitig verzweifelt nach einer Rückzugsmöglichkeit. Doch es waren einfach zu viele Angreifer, sicherlich über ein Dutzend, und weder Ro’iks Hufe noch die Klinge Esdurials vermochten mehr, als sie für einen kurzen Moment zurückzutreiben.
Es war ein aussichtsloser Kampf und wenn nicht irgendetwas geschah, war er bald vorbei, und Tarean und Ro’ik würden von rasiermesserscharfen Kristallzähnen zerrissen werden.
Und dann passierte es. Eines der wild wütenden Scheusale warf sich gegen Tareans bereits verletztes rechtes Bein, und sein Knie gab nach. Er knickte ein und stürzte zu Boden. Sofort waren die Monster über ihm. Verzweifelt strampelnd und buchstäblich von Todesangst gepackt, versuchte sich der Junge, der in seinem Blickfeld aufblitzenden Mäuler zu erwehren. Aber es gelang ihm nicht. Es waren zu viele. Er würde …
In diesem Augenblick vernahm er von der Spitze des Monolithen ein begeistertes Jauchzen Moosbeeres, und beinahe gleichzeitig warf sich jemand mit einem Brüllen, das an einen wütenden Berglöwen erinnerte, in den Kampf. Ein silbriger Schemen huschte an Tareans Kopf vorbei, traf mit einem Krachen, als ramme eine vierspännige Kutsche eine Hauswand, einen der Kobolde und ließ ihn in einer Explosion aus Staub und Steinsplittern zerplatzen wie eine überreife Frucht.
»Ihr Ungeziefer«, donnerte der Neuankömmling voller Zorn. Wieder fuhr seine Waffe nieder – Tarean glaubte, einen Hammer mit einem gewaltigen, metallisch glänzenden Kopf zu erkennen – und zertrümmerte einen der Kobolde. »Wie oft habe ich euch gesagt, ihr sollt euch …« Ein weiterer Schwinger verwandelte einen von Tareans Peinigern in Staub. »… von diesem Ort fernhalten?«
Die Kobolde verfielen in aufgeregtes Grunzen und begannen sich zurückzuziehen. Tareans Retter setzte über ihn hinweg und drosch einem der Flüchtenden seine schwere Hiebwaffe auf den Schädel. Das Scheusal teilte das gleiche Schicksal wie seine Kameraden. »Aber offenbar seid ihr nicht nur furchtbar hässlich …« Ein Tritt mit einem schweren Stulpenstiefel beförderte einen der Kobolde in die Luft. Überrascht grollend wurde er gegen die blanke Seite des nächsten Monolithen geschleudert, prallte knirschend davon ab – und erlebte dann einen fatalen Zusammenstoß mit dem silbernen Hammerkopf. »… sondern auch furchtbar dumm!«
Diese Zurschaustellung unaufhaltsamen Zornes gab der Kampfmoral der Kobolde den Rest. Hals über Kopf suchten sie das Weite, stoben in alle Himmelsrichtungen auseinander und hetzten die Hänge des Schuttwalls hinauf und dahinter außer Sicht. Bevor Tarean sich auch nur aufgerappelt hatte, waren sie bereits verschwunden. Zurück blieben nur ein paar Kristallsplitter und Steinstaub.
6
KESRONDAIA
Tarean tat alles weh. Er fühlte sich, als habe jemand seinen ganzen Körper zum leichteren späteren Genuss ordentlich vorgekaut. Die beißfreudige Koboldsippe hatte wirklich ganze Arbeit geleistet – es gab keine einzige Stelle an seinen weitgehend ungeschützten Armen und Beinen, die nicht schmerzte. Und wo sie ihn nicht hatten beißen oder kratzen können, etwa an der Brust und am Unterleib, die durch den Lederharnisch der Vogelmenschen geschützt waren, hatten ihre kleinen, massigen Körper durch ihre wütenden Sprungangriffe zahllose Prellungen hinterlassen. Der Junge konnte sich lebhaft vorstellen, in welch wundervollen Farben in diesem Moment die Haut unter seiner Rüstung und dem Hemd erblühte.
»Komm, ich helfe dir.« Eine kräftige Hand wurde ihm entgegengehalten. Sie gehörte ihrem unerwarteten Retter in der Not.
Tarean griff zu und ließ sich auf die Beine ziehen. Schmerzerfüllt verzog der Junge die Miene, als er sein Gewicht auf das rechte Bein zu verlagern versuchte, und beinahe wäre er wieder gestürzt, doch die Hand stützte ihn. »Vorsicht«, brummte der Mann. »Die Biester haben dich übel
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